Den „Algorithmus des Dritten Weltkriegs“ stoppen

Die erste Reise hochrangiger US-Regierungsvertreter nach Kiew seit Beginn des Konflikts fand am 24.4. statt, anschließend kündigten Außenminister Blinken und Verteidigungsminister Austin ein weiteres Militärhilfepaket für die Ukraine an (was von der Rüstungsindustrie sicherlich begrüßt wurde). Statt auf Verhandlungen zu drängen, behaupteten sie, die Ukraine könne Rußland besiegen, wenn sie die richtige Ausrüstung erhalte.

Begleitet wurden sie von der berüchtigten Victoria Nuland, derzeit Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, die 2014 den Maidan-Staatsstreich inszeniert hatte, der in Kiew Neonazis ins Zentrum der Macht brachte. Nuland reiht sich in den wachsenden Chor der Offiziellen ein, die Rußland davor warnen, Atomwaffen gegen die Ukraine einzusetzen. In einem Interview mit der ukrainischen European Pravda am 22.4. sagte sie, niemand könne ausschließen, daß die Russen in der Ukraine Atomwaffen einsetzen. „Da Putin bereits furchtbare, bösartige, brutale Kriegsverbrechen angeordnet hat, könnte alles passieren. Es könnten verschiedene Arten von katastrophalen Waffen eingesetzt werden.“

Der Kreml bestreitet kategorisch jede Absicht, in dem Konflikt Atomwaffen einzusetzen, und betrachtet die Anschuldigungen als klare Provokation. Nulands Erklärung wird sogar als Drohung der USA interpretiert, einen Atomkrieg gegen Rußland zu entfesseln, unabhängig davon, was in der Ukraine geschieht.

Eine weitere derartige Provokation war eine Nachricht auf der Webseite des russischen Katastrophenschutzministeriums am 19.4., in der die Bevölkerung gewarnt wurde, um das orthodoxe Osterfest (24. April) herum könnte ein nuklearer Vergeltungsschlag der NATO erfolgen (nachdem Rußland zuerst zuschlagen würde). Es wurde schnell festgestellt, daß die Webseite gehackt worden war.

Dennoch besteht die reale Gefahr, daß solche „Warnungen“ vor einem Atomwaffeneinsatz zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden, wie Ivan Rizzi, Vorsitzender des Italienischen Instituts für hohe strategische und politische Studien (IASSP), in einem Artikel auf ilSussidiario.net feststellte. Er spricht von einem „technisch-algorithmischen Prinzip“, das ab einem bestimmten Punkt der politischen Entscheidungsfindung die Kontrolle zu übernehmen scheint.

Der menschliche Geist, schreibt Rizzi, „neigt dazu, sich von einer konkreten Dialektik abzukoppeln und hat Schwierigkeiten, seine eigenen Entscheidungen rückgängig zu machen, wenn diese einmal zu einem Prozeß geworden sind“. Er zitiert das Beispiel hochrangiger Wehrmachtsoffiziere, die zugaben, daß „wir so sehr mit der technischen Organisation von 91 [militärischen] Divisionen beschäftigt waren, daß wir keine Zeit zum Nachdenken hatten“. Rizzi fährt fort: „Allein die Tatsache, daß eine solche Hypothese aufgestellt wird… und daß nationale Debatten und Talkshows darüber sprechen, setzt das Schema einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung in Gang. Mit anderen Worten, wir entwickeln einen halluzinatorischen Dialog, der dazu bestimmt ist, die Schizophrenie zu verstärken und die Ereignisse schicksalhaft erscheinen zu lassen.“

Doch wir müssen, so Rizzi, „den Fatalismus einer Eskalation des Konflikts in Europa in Frage stellen“ und „den Algorithmus eines apokalyptischen Epilogs durchbrechen“.

Print Friendly, PDF & Email