Demokratie ist gut, solange sie nicht die „regelbasierte Ordnung“ gefährdet

Vom 28.-30.3. findet online das zweite Treffen von Präsident Bidens „Demokratiegipfel“ statt. Die Biden-Administration hat noch nicht erkannt, daß die Litanei „Demokratie gegen Autokratie“ außerhalb des westlichen „Kokons“ weltweit kaum noch Glaubwürdigkeit hat. Ausgeschlossen von der Veranstaltung sind diejenigen, welche die „regelbasierte“ Ordnung offen in Frage stellen, wie China, Rußland, Ägypten, die Türkei, Saudi-Arabien u.v.a.

Einige Beispiele aus jüngster Zeit zeigen, daß die politische Führung in den USA und Europa in Krisenzeiten nicht zögert, selbst die sakrosankten Prinzipien umzustoßen, die sie anderen diktieren will:

* USA. Vizepräsidentin Kamala Harris ist in dieser Woche auf einer einwöchigen Afrikareise, um „westliche Werte“ zu predigen. Zu ihrem Pech räumte der Leiter des Afrikakommandos der US-Armee, Gen. Michael Langley, bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus am 23.3. ein, daß Washington „Grundwerte“ mit verschiedenen Putschisten in Afrika teilt.

* Schweiz. Das Gesetz schrieb vor, daß die Aktionäre der Credit Suisse über die Übernahme durch die UBS abstimmen mußten. Doch aus Furcht vor einem „Nein“ und damit einem ernsten Risiko für das gesamte internationale Finanzsystem erklärten die Behörden einen Notstand, um diese Möglichkeit auszuschließen.

* Frankreich. Als sich abzeichnete, daß die (von „den Märkten“ geforderte) Rentenreform von Präsident Macron in der Nationalversammlung keine Mehrheit finden würde, nutzte die Regierung eine Ausnahmeregelung (Artikel 49,3), um sie per Dekret ohne Abstimmung zu verabschieden (vgl. SAS 12/23).

* Deutschland. Am 17.3. wurde ein neues Wahlgesetz beschlossen, das es kleineren Parteien – wie etwa CSU, FDP und Die Linke – erschwert, in den Bundestag zu gelangen. Wenig überraschend kommt die Initiative zu einer Zeit, in der die Abneigung der Wähler gegen die großen Parteien sprunghaft wächst.

* Israel. Ministerpräsident Netanjahu plant eine Justizreform, die den Gerichten erhebliche Befugnisse entziehen und sie bei der Regierung und der Legislative konzentrieren soll. Erst nach einer Massenmobilisierung der israelischen Bürger, darunter Armeereservisten, und Protesten des Verteidigungsministers – der daraufhin entlassen wurde – lenkte die Regierung ein und erklärte sich bereit, die Maßnahme zu verschieben.

Derlei „autokratische“ Maßnahmen bleiben im Rest der Welt nicht unbemerkt, so auch beim NATO-Erzfeind Rußland. Außenminister Sergej Lawrow sprach das Thema in einem Artikel in Razvedchik (Geheimdienstler) an. In dieser Zeit „historischer geopolitischer Verschiebungen“ setze der kollektive Westen alles daran, das ausgediente unipolare Modell wiederzubeleben. „Er will die Welt zwingen, in einer westlich-zentrierten, regelbasierten Ordnung zu leben, die er selbst erfunden hat, und versucht gleichzeitig, diejenigen zu bestrafen, die mit diesen Regeln nicht einverstanden sind, auch wenn niemand diese Regeln je gesehen hat und sie nirgendwo zu finden sind.“ Als Antwort darauf habe Rußland eine strategische Partnerschaft mit China entwickelt und intensiviere die Beziehungen zu Indien, Brasilien, Iran, den Emiraten, der Türkei, Saudi-Arabien, Südafrika und „vielen anderen befreundeten Staaten“.

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