Carlsons Interview mit Putin

Das Interview, das der russische Präsident Wladimir Putin dem US-Journalisten Tucker Carlson gegeben hat, war zweifellos ein großer internationaler Erfolg, auf jeden Fall was die Zahl der Zuschauer angeht. Allein an den ersten drei Tagen gab es mehr als 200 Millionen Aufrufe auf verschiedenen Plattformen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow schätzte den Erfolg wie folgt ein: „Das wichtigste für uns ist, daß unser Präsident gehört wird. Wenn er gehört wird, dann werden sich mehr Menschen fragen, ob er Recht hat oder nicht. Mindestens werden sie nachdenken.“

Wir denken ebenfalls, daß es wichtig ist, Aussagen der führenden Politiker der Welt anzuhören und zu berücksichtigen, anstatt sich auf die alles andere als unabhängigen Mainstream-Medien zu verlassen. In diesem Sinne stellen wir einige Höhepunkte aus Putins Interview vor, insbesondere zur Rolle Chinas und seiner Einschätzung der europäischen Politik.

Verhandlungen mit dem Westen: Der Präsident betonte mehrfach, Rußland wolle auf jeden Fall mit dem Westen und den USA zusammenarbeiten und habe dies auch wiederholt versucht, sei jedoch auf unerklärlichen Widerstand in den Machtzirkeln gestoßen. Dennoch habe er die Tür für eine künftige Kooperation nie verschlossen. Als Carlson ihn nach einem Gesprächspartner in Washington fragte, antwortete er: „Mit wem soll man reden? Ich verstehe das einfach nicht. Wir sind zu Gesprächen bereit, aber mit wem?“

Was die Ukraine betrifft, so sei Rußland zu Verhandlungen bereit. „Wenn sich die Selenskyj-Regierung in der Ukraine weigert zu verhandeln, gehe ich davon aus, daß sie es auf Anweisung Washingtons tut. Wenn Washington der Meinung ist, daß es sich dabei um eine falsche Entscheidung handelt, dann soll es diese Entscheidung aufgeben; mögen sie eine geschickte Ausrede finden, damit niemand beleidigt wird, einen Ausweg.“

Später kam das Thema nochmals zur Sprache: „Der Präsident der Ukraine hat ein Dekret erlassen, das Verhandlungen mit uns verbietet. Er soll dieses Dekret aufheben, und das war’s. Wir haben nie Verhandlungen abgelehnt. Wir hören immer wieder: ,Ist Rußland bereit?‘ Ja, wir haben nicht abgelehnt! Sie waren es, die öffentlich abgelehnt haben. Nun, er soll sein Dekret zurücknehmen und in Verhandlungen eintreten.“

Europa: Putin wurde auch gefragt, warum seiner Meinung nach Deutschland die Zerstörung seiner Wirtschaft durch hohe Energiepreise hinnimmt und auf die Sabotage von Nord Stream nicht reagiert. Er antwortete, „…die heutige deutsche Führung läßt sich eher von den Interessen des kollektiven Westens als von ihren nationalen Interessen leiten, anders wäre es schwierig, die Logik ihres Handelns oder Nichthandelns zu erklären. Schließlich geht es nicht nur um Nord Stream-1, das gesprengt wurde, und Nord Stream-2 wurde beschädigt, sondern eine Leitung ist sicher und heil, und durch sie kann Gas nach Europa geliefert werden, aber Deutschland öffnet sie nicht. Wir sind bereit, bitte.“ Berlin könne auch Polen und/oder die Ukraine unter Druck setzen, Gaspipelines von Rußland nach Deutschland wieder zu öffnen, im Austausch für all die Waffen und das Geld, das Deutschland ihnen liefere. In der deutschen Regierung „sind höchst inkompetente Leute“, fügte er hinzu und klopfte symbolisch auf den hölzernen Tisch vor sich.

Auf die Frage, warum Rußland die NATO nicht direkter für die Sabotage von Nord Stream 2 verantwortlich gemacht hat, antwortete er: „Es ist sehr schwierig, die Vereinigten Staaten im Propagandakrieg zu besiegen, weil die Vereinigten Staaten alle Weltmedien und viele europäische Medien kontrollieren. Der eigentliche Nutznießer der größten europäischen Medien sind amerikanische Finanzinstitute. Wußten Sie das nicht?“

China und die BRICS: Ist Putin besorgt, daß die BRICS „völlig von der chinesischen Wirtschaft dominiert werden könnten?“, wollte Tucker Carlson wissen. Das sei eine „Buhmann-Geschichte“, antwortete Putin. „Wir sind Nachbarn von China. Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, genausowenig wie man sich enge Verwandte aussuchen kann. Wir haben eine gemeinsame Grenze von mehreren tausend Kilometern mit ihnen. Das ist der erste Punkt. Zweitens: Wir haben eine jahrhundertelange Geschichte der Koexistenz, wir sind daran gewöhnt. Drittens ist Chinas außenpolitische Philosophie nicht aggressiv, sondern sucht immer den Kompromiß, und das können wir sehen.“

Das gesteckte Ziel des Handels zwischen Rußland und China sei bereits übertroffen worden. „Noch etwas wichtiges: Unser Handel ist ausgewogen und ergänzt sich in den Bereichen Hightech, Energie, wissenschaftliche Forschung und Entwicklung. Er ist sehr ausgewogen.“

Die BRICS entwickelten sich sehr schnell. „1992 betrug der Anteil der G7-Länder an der Weltwirtschaft 47%, bis 2022 ist er, denke ich, auf etwas über 30% gesunken. Die BRICS-Länder machten 1992 nur 16% aus, aber jetzt ist ihr Anteil größer als der der G7. Das hat nichts mit den Ereignissen in der Ukraine zu tun. Das liegt an den Trends der globalen Entwicklung und der Weltwirtschaft, die ich gerade erwähnt habe, und es ist unvermeidlich. Das wird so weitergehen, das ist wie mit dem Sonnenaufgang: Man kann den Sonnenaufgang nicht verhindern, man muß sich an ihn anpassen.

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