Bauernproteste in Europa weiten sich auf mehr Länder und Branchen aus

Bei der anhaltenden Protestwelle der Landwirte in Europa fallen zwei Muster auf: die Tendenz zu einer breiteren Revolte, die den gesamten Mittelstand einbezieht, und die Koordinierung der Proteste in den osteuropäischen Ländern.

Ersteres ist in Deutschland besonders deutlich zu erkennen, wenn man die drei öffentlichen Veranstaltungen in Nürnberg, Chemnitz und Düsseldorf Ende letzter Woche betrachtet. In Nürnberg versammelten sich am 15.2. hunderte Demonstranten vor der Industrie- und Handelskammer, die eine Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Robert Habeck organisiert hatte. Unter den Demonstranten befanden sich nicht nur Landwirte vom Bayerischen Bauernverband (BBV), sondern auch Vertreter verschiedener Branchen des Mittelstands (Unternehmerverband, Hotel- und Gaststättenverband, Metzger und Schreiner). Alle Gruppen zeigten große Transparente, auf denen sie einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik fordern und alle kleinen und mittleren Unternehmen zur Beteiligung aufrufen.

An einer Kundgebung im sächsischen Chemnitz nahmen am 17.2. mehrere hundert Landwirte, Handwerker, Gastronomen, Spediteure und andere Mittelständler teil, um die „Resolution des Mittelstandes“ zu unterstützen, die derzeit in Sachsen kursiert und bereits von vielen Bürgermeistern und Landräten unterzeichnet wurde. Ihre 12 Punkte beginnen mit der Forderung nach allgemeinem Schutz und Förderung des Mittelstandes.

Ein ähnliches Bild ergab sich in Düsseldorf, der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen, bei den Autokorsos und der anschließenden Kundgebung am 17.2. Einer der Organisatoren des Protestes, der Unternehmer Ralf Weiß, sagte den Demonstranten: „Es ist allein schon wichtig, daß wir die Aufmerksamkeit der Menschen erreichen, die rechts und links an der Straße unterwegs sind. Wir wünschen uns, daß wieder Geld in die deutsche Wirtschaft und Infrastruktur fließt und der Renovierungsstau für marode Schulen, Brücken und Straßen abgestellt wird. Es geht nicht, daß große, alteingesessene Firmen das Land verlassen, um im Ausland zu produzieren.“

In mehreren osteuropäischen Ländern kam es in den letzten Wochen zu Bauernprotesten. Jetzt nimmt eine Koordinierung Gestalt an, geplant ist eine erste gemeinsame Aktion von Landwirten in Polen, der Slowakei, der Tschechischen Republik, Ungarn, Litauen und Lettland am 22.2. In Polen dauern die Blockaden der Grenzübergänge zur Ukraine an und werden auf Bahnknotenpunkte und Häfen ausgeweitet, um gegen Transport und Verschiffung ukrainischer Agrargüter zu protestieren; dies soll bis zum 10.3. andauern.

Interessanterweise entwickelt sich der „Green Deal“ der EU zu einem Hauptthema der Proteste, diese richten sich nicht nur gegen die nationalen Regierungen, sondern auch gegen die Europäische Kommission. Die Bauern fordern Entschädigung für ihre Verluste durch die von der Kommission beschlossenen zollfreien Getreideeinfuhren aus der Ukraine.

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