Wird die FDP die Berliner Koalition zu Fall bringen?

Trotz aller Bemühungen, stabil und geschlossen aufzutreten, ist die Regierungskoalition in Berlin (SPD, Grüne, FDP) durch viele interne Reibereien gelähmt, die in den kommenden Wochen und Monaten noch zunehmen dürften. Ein Auslöser für ein Zerbrechen der Koalition könnte ihre Machtlosigkeit gegenüber der Inflation sein, durch die wegen der unbezahlbaren Energiepreise vielen kleinen und mittleren Unternehmen der Ruin droht. Dieser Sektor stellt eine traditionelle Wählerschaft der FDP, und die „grüne“ Berliner Energiepolitik ist einer der Hauptgründe, warum sie bei Wahlen 2022 massive Verluste hinnehmen mußte.

Vor den vier anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr fordern nun zahlreiche führende FDP-Mitglieder die Partei auf, sich von der Berliner Energie- und Klimapolitik zu distanzieren und Kampagnen für die Kernkraft zu führen. In einem Papier an den Bundesvorstand rufen der bayerische Landesvorsitzende Martin Hagen und der hessische Spitzenkandidat Stefan Naas zu einem Kurswechsel auf, um weitere Wahldebakel zu vermeiden. Sie fordern eine Stärkung der deutschen Wirtschaft, die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke und eine klare Positionierung gegen eine „wachstums- und kapitalismusfeindliche Klima-Ideologie, die unverhohlen die Deindustrialisierung Deutschlands propagiert“.

Während der FDP-Parteivorsitzende und Finanzminister Christian Lindner Konflikte innerhalb der Regierungskoalition vermeiden will, scheint der stellvertretende Vorsitzende und Verkehrsminister Volker Wissing entschlossen, das Energieproblem zum Thema zu machen. Anläßlich eines Treffens mit Tesla-Chef Elon Musk Anfang Januar erklärte Wissing gegenüber den Medien, alle Pläne für die E-Mobilität (vermutlich einschließlich der Tesla-Autos, die bei Berlin produziert werden sollen) wären hinfällig, wenn das Problem der Energieversorgung nicht gelöst wird, und das erfordere die weitere Nutzung der Kernenergie auch nach dem von der Regierung festgelegten Ausstiegstermin am 15. April. Schon früher hatte er eine Verlängerung bis mindestens Frühjahr 2024 gefordert.

Die Frage ist, wie SPD und Grüne reagieren werden. Bleiben sie beim strikten Atomausstieg nach dem 15. April oder akzeptieren sie ein weiteres Zugeständnis (nach der Verschiebung des ursprünglichen Termins zum 31.12. um dreieinhalb Monate)? Im letzteren Fall könnte die Regierungskoalition 2023 zur Halbzeit der Legislaturperiode zerbrechen. Die vier Landtagswahlen, die zeigen werden, ob sich der Abwärtstrend der FDP fortsetzt, finden im Mai in Berlin und Bremen statt, gefolgt von Bayern im Oktober und wahrscheinlich etwa zur gleichen Zeit in Hessen.

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