Warschau: zwei Gesichter eines Gipfeltreffens

Die Staats- und Regierungschefs der NATO kamen am 8.-9.7. zu ihrem langerwarteten Gipfeltreffen in Warschau zusammen, wo die Eskalation der militärischen Provokationen gegenüber Rußland wie geplant vorangetrieben wurde. Die Regierungschefs stimmten der Entsendung von vier rotierenden Bataillonen in den drei baltischen Staaten und Polen zu und beschlossen die Schaffung eines einheitlichen Kommandos für Rumänien, wo bereits die landgestützten Elemente des Raketenabwehrsystems der NATO installiert werden.

Aber neben diesen seit langem beschlossenen Maßnahmen war das Treffen dominiert von der wachsenden Panik und Rissen im transatlantischen Bündnis. Die Brexit-Abstimmung vom 23.6. war nach Aussage des britischen Außenministers Philip Hammond das beherrschende Thema der Gespräche am Rande des Gipfels. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob die europäische Front an der antirussischen Rhetorik festhalten wird, die von Großbritannien und seiner Washingtoner Marionette Barack Obama verbreitet wurde. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob die EU selbst überleben wird, oder was die unmittelbaren Konsequenzen des Brexit für das zerfallende europäische Bankensystem sein werden.

Das zweite Thema der „Korridorgespräche“ des Gipfels waren die zunehmenden Verwerfungen innerhalb Europas über die weiter laufende Kampagne, Rußland und seinen Präsidenten Wladimir Putin zu dämonisieren. Vor allem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier war das Ziel boshafter Bemerkungen, aber er wurde schon gleich zu Beginn des Gipfels vom französischen Präsidenten Francois Hollande unterstützt, der bei seiner Ankunft in Warschau vor Journalisten sagte, Rußland sei weder ein Feind noch eine Bedrohung für Frankreich, und es sei nicht die Aufgabe der NATO, Europa vorzuschreiben, was seine Beziehungen zu Rußland sein sollten.

Wie wir berichteten, sind die Sanktionen unter den Europäern immer noch stark umstritten, insbesondere in Griechenland und in Unternehmerkreisen.

Auch die New York Times bemerkte die tatsächliche Stimmung unter den Regierungschefs und wies darauf hin, daß Präsident Obama ein vertrauliches Treffen mit den beiden führenden Vertretern der EU (Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker) hatte, um auf eine schnelle und zufriedenstellende Einigung mit Großbritannien zu dringen, damit Großbritannien auch von außerhalb der EU seine führende Rolle bei der Gestaltung der europäischen Sicherheits- und Finanzpolitik beibehalten kann.

Die russischen Medien und führende Vertreter Rußlands machten deutlich, daß sie die neuen NATO-Einsätze bis vor die russischen Grenzen als eine Bedrohung betrachten – eine Bedrohung, auf die man notfalls mit Gewalt reagieren werde.

Trotz der Meinungsverschiedenheiten im Bündnis beschlossen die Regierungen der NATO-Staaten, an einem Strang zu ziehen. Deshalb ist die 32seitige Abschlußerklärung des Gipfels nichts weniger ist als eine Hetzschrift gegen Rußland, und in der Rußland allein für alle Spannungen der letzten beiden Jahre verantwortlich gemacht wird. Die Tatsache, daß die USA und die NATO unter klarem Verstoß gegen alle Vereinbarungen zwischen der NATO und Rußland in der Ära nach dem Kalten Krieg einen blutigen Putsch veranstaltet haben, wird darin vollkommen ignoriert.

Um die „russische Bedrohung“ in die richtige Perspektive zu stellen: Die Verteidigungsbudgets der NATO-Mitgliedstaten betragen zusammengenommen 842 Mrd.$, das von Rußland 46 Mrd.$. Allein der Haushalt des Pentagon ist neunmal größer als der von Rußland, und die NATO-Länder haben zusammen 3,6 Mio. Soldaten, Rußland dagegen nur 765.000.

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