Strategische Auswirkungen eines möglichen NATO-Beitritts von Schweden und Finnland

Sollten Schweden und Finnland beschließen, der NATO beizutreten und ihre Neutralität aufzugeben, würde dies die Ostseeregion, in der selbst während des Kalten Krieges nur geringe Spannungen herrschten, dramatisch in ein Gebiet hoher Spannungen verwandeln. Fast zwei Jahrhunderte lang waren sich die Anrainerstaaten einig, daß die Ostsee von Konflikten zwischen Großmächten verschont bleiben sollte. Damit wäre es vorbei, wenn im Rahmen der NATO-Erweiterung amerikanische, britische und andere Streitkräfte in das Gebiet eingeladen werden, um die Land-, Luft- und Seekontrolle im Ostseeraum durchzusetzen.

Finnland liegt sehr nahe an St. Petersburg und anderen russischen Großstädten. Seine Grenze ist auch nur 180 km von Murmansk auf der Halbinsel Kola entfernt, wo sich die wichtigsten Stützpunkte für die strategischen Atom-U-Boote der russischen Marine befinden. Diese U-Boote patrouillieren ständig versteckt unter der arktischen Eiskappe, um einen Zweitschlag ausführen zu können. Ein Zugriff der NATO auf dieses Gebiet im Norden Finnlands und/oder Schwedens würde diese Stützpunkte bedrohen und den größten Teil der russischen Zweitschlagskapazität gefährden, das gesamte globale nukleare Gleichgewicht wäre gestört. Somit droht eine gewaltige strategische Krise in Nordeuropa, wie eine umgekehrte Kuba-Krise.

Schon seit 2015, in Friedenszeiten, erlaubt Schweden der NATO als Partner strategische B-52-Bomber über Schweden in Richtung der russischen Grenze zu fliegen. Das ist nicht geheim, aber den meisten Schweden unbekannt, obwohl es eine gewaltige atomare Provokation gegen Rußland darstellt.

Diese Woche sollen die Parteivorsitzenden der finnischen und schwedischen Sozialdemokraten eine Entscheidung treffen. Am 17.-18.5. wird der finnische Präsident Sauli Niinistö nach Schweden reisen und möglicherweise eine gemeinsame Entscheidung über einen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft ankündigen.

In Schweden gründet der innenpolitische Widerstand gegen den Vorstoß der Regierung vor allem darauf, daß die Bevölkerung schockiert ist, mit welchen Brachialmethoden eine Entscheidung unter Umgehung der demokratischen Prozesse und parteiinternen Debatten durchgesetzt werden soll. Am 28.4. rief die Vorsitzende der Linkspartei, Nooshi Dadgostar, zu einer Mobilisierung gegen den NATO-Beitritt auf und forderte ein nationales Referendum im Herbst. Die Demonstrationen der Linkspartei am 1.5. wurden zu einer Großkundgebung gegen den Beitritt, allein in Stockholm nahmen rekordverdächtige 25.000 Menschen teil. Am 7.5. sprach sich auch die Umweltpartei gegen einen Beitritt aus.

Entscheidend werden die internen Auseinandersetzungen der Sozialdemokraten sein. Ein führendes Mitglied, Pierre Schori, veröffentlichte am 1.5. zusammen mit Henrik Fritzon, dem Parteivorsitzenden in der wichtigen Region Skåne, in der Parteizeitung Aftonbladet einen Aufruf an die Mitglieder „Nein zur Nato“. Sowohl die Frauenorganisation der Partei als auch die Jugendorganisation SSU haben sich gegen die NATO-Mitgliedschaft ausgesprochen.

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