Reform-Forderungen des Westens lösten äthiopischen Tigray-Konflikt aus

Der Hintergrund des anhaltenden Konflikts zwischen der äthiopischen Regierung und dem Regionalstaat Tigray und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) sind die westlichen Marktreformen und der Druck auf Äthiopien, seine Beziehungen zu China zu kappen. Auch wenn Ministerpräsident Abiy Ahmed keineswegs die Beziehungen zu China abbricht, hat er doch die von den USA, Briten und EU geforderte Reformagenda übernommen. Dazu gehören die Privatisierung staatlicher Unternehmen und die Öffnung des Telekommunikations- und Finanzsektors für ausländische Investitionen.

Nach Abiys Reformversprechen gewährten Weltbank, IWF und andere westliche Institutionen 2019 Kredite über 9 Mrd.$ zur „Unterstützung“ der Reformen. Die Regierung schrieb Lizenzen für Mobiltelefonie aus, um das staatliche Monopol zu beenden. Die erste Lizenz ging an das britische Unternehmen

Vodafone und zwei seiner afrikanischen Tochtergesellschaften, Safaricom und Vodacom. Sie setzten sich gegen ein von der südafrikanischen Telekom-Gesellschaft MTN geführtes Konsortium durch, das vom chinesischen Seidenstraßenfonds unterstützt wurde. Das MTN-Angebot lag bei 600 Mio.$, Vodafone konnte 850 Mio.$ bieten, weil es ein Darlehen über 500 Mio.$ von der International Development Finance Corporation (DFC) der US-Regierung erhielt. Alle Medien berichteten übereinstimmend, daß man die Chinesen unbedingt ausstechen wollte.

Das ist schon schlimm genug, aber dieser Kredit entspricht allein einem Viertel des Kreditbudgets der DFC für 2021 -für ein britisches Unternehmen, das keine Investitionen in den USA hat. Das Geld wird höchstwahrscheinlich nicht in Äthiopien ankommen, weil es für den Schuldendienst verwendet werden muß. Da das staatliche äthiopische Mobilfunkunternehmen (mit chinesischer Technologie) recht effizient arbeitet, ist die Übernahme durch Vodafone kein großer Gewinn für das Land, die 500 Mio.$ hätte man für echte Infrastruktur ausgeben können. Wie bei allen privaten Mobilfunkunternehmen ist auch diese Übernahme kaum mehr als eine Geldmaschine. Es wird noch eine weitere Lizenz ausgeschrieben, die das von China unterstützte Konsortium gewinnen könnte, falls es noch Interesse hat.

Die TPLF hatte 2005, als sie an der Regierung war, beschlossen, den Demokratisierungsprozeß auf Eis zu legen und dem chinesischen Beispiel des „Entwicklungsstaates“ zu folgen. In den folgenden zehn Jahren betrieb sie eine auf Infrastruktur orientierte Industrialisierung und schränkte den „Rentenkapitalismus“ ein. Zu den Erfolgen gehörten die erste sechsspurige Autobahn des Landes, eine zweigleisige elektrifizierte Eisenbahnstrecke von Addis Abeba zum Hafen Dschibuti, der Aufbau von Industriegebieten und Wasserkraftwerken nach chinesischem Vorbild, alles mit chinesischer finanzieller und technischer Unterstützung. Westliche Medien behaupten, die TPLF hätte sich dabei auf korrupte Weise bereichert, aber Tatsache ist, daß Äthiopien von 2004–14 ein reales BIP-Wachstum von durchschnittlich 10,9% verzeichnete. Die TPLF-Fraktion stellte sich gegen Abiys Reformpolitik.

Um die volle Unterstützung der britischen Regierung für die westliche Reformagenda zum Ausdruck zu bringen, veranstaltete Londons Chatham House am 5.8. ein Webinar, auf dem die äthiopische Ministerin für Entwicklung und Planung, Dr. Fitsum Assefa Adela, und der Staatsminister für Finanzen, Dr. Eyob Tekalgn Tolina, der Londoner Elite die Reformpläne des Landes vorstellten.

Leider löste die Umsetzung der Reformagenda die gegenwärtigen politischen und militärischen Kämpfe aus, die nun die Existenz des äthiopischen Staates bedrohen, wenn nicht staatsmännische Maßnahmen ergriffen werden -ohne Sanktionen und Interventionen von außen –, um den Kampf weg von der militärischen Ebene hin zum Dialog für eine bessere Zukunft Äthiopiens und Ostafrikas zu schaffen.

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