Putin-Biden-Gipfel ist ein Fortschritt

In den Tagen vor dem Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Biden und Putin am 16. Juni mußte man kein Pessimist sein, um zu glauben, daß sich eine Katastrophe anbahnte. Die gegen Rußland gerichtete Sprache von amerikanischer Seite, insbesondere von Außenminister Blinken und dem Präsidenten selbst, setzte die Verunglimpfung Wladimir Putins und die Charakterisierung Rußlands als autokratischen Staat mit „bösartigen Absichten“ gegenüber „Demokratien“ fort.

In Bezug auf die öffentlichen Diskussionen der Staats- und Regierungschefs auf dem G7-Gipfel (11.–13. Juni) und erneut in Brüssel auf dem NATO-Gipfel (14. Juni) wurde in der Presse pflichtbewußt der Anschein einer allgemein einhelligen Front gegen die „russische Bedrohung“ und die „systemische Herausforderung“ durch China erweckt (vgl. SAS 24/12). Es wurde berichtet, weitere Sanktionen seien auf dem Weg, um die beiden Länder für ihre mangelnde Bereitschaft, ihre Souveränität aufzugeben, zu bestrafen. Das Beste, worauf man hoffen könne, so wiederholten Biden und Blinken, sei eine „stabile und vorhersehbare Beziehung.“

Aber außerhalb der Sprechblasen des angeblichen Konsenses spielte sich etwas anderes ab. Die kurzzeitige Möglichkeit eines Atomkriegs wegen der Ukraine und Taiwan und die Fragilität des westlichen Finanzsystems, das durch wachsende Schuldenblasen und hyperinflationäre monetäre Expansion bedroht ist, sorgten für Uneinigkeit innerhalb des „Clubs“, wobei zumindest Deutschland, Frankreich und Italien Berichten zufolge von einer geopolitischen Konfrontation mit Rußland oder China wenig begeistert waren.

Während die rhetorische Aufrüstung gegen die beiden Länder anhielt, fanden Treffen statt, die im Nachhinein betrachtet eine gewisse Ahnung von der Notwendigkeit eines Richtungswechsels in den Beziehungen erzeugt haben. Am 19. Mai trafen sich der russische Außenminister Lawrow und sein amerikanischer Amtskollege Blinken in Reykjavik zu einem „herzlichen und produktiven“ Treffen, das zweifellos durch die Entscheidung der USA begünstigt wurde, die Sanktionen gegen das an Nord Stream 2 beteiligte Hauptunternehmen und dessen CEO aufzuheben. Dem folgte am 25. Mai ein produktives Treffen zwischen dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, und dem nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan.

Von besonderer Bedeutung waren auch die Anfang Juni veröffentlichten Erklärungen zweier Organisationen, denen hochrangige Vertreter aus politischen, militärischen und diplomatischen Kreisen des Westens und Rußlands angehören: die Euro-Atlantic Security Leadership Group und das American Committee for U.S.-Russia Accord. Beide Erklärungen bezogen sich auf das Gipfeltreffen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow im Jahr 1985, bei dem die beiden übereinstimmten, daß „ein Atomkrieg nicht zu gewinnen ist und niemals geführt werden darf“.

Daß genau dieser Wortlaut im Kommuniqué des Putin-Biden-Gipfels bekräftigt wurde, ist ein Signal, daß die beiden Präsidenten von der nuklearen Konfrontation, die sich in der vorangegangenen Periode zusammengebraut hatte, Abstand nehmen wollen.

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