Nach wiederholtem Verrat setzt Rußland auf einen militärischen Sieg in Syrien

Nachdem die USA Stellungen der syrischen Armee bombardierten und Rußland fälschlich für den Beschuß eines UN-Hilfskonvois verantwortlich machten, haben Moskau und Damaskus offenbar die Hoffnung auf eine Waffenruhe und politische Lösung des nunmehr fünfjährigen Syrienkriegs aufgegeben. Nach Angaben syrischer und russischer Experten sowie einer detaillierten Analyse des früheren Nahostchefs des US-Militärgeheimdienstes DIA, Oberst a.D. Patrick Lang, werden nun die vereinten syrisch-russisch-iranischen Kräfte auf einen militärischen Sieg setzen, wobei die nordsyrische Großstadt Aleppo ausschlaggebend ist.

Seit die von den Außenministern Kerry und Lawrow ausgehandelte Waffenruhe vom 9.9. zusammenbrach, bereiten sich massive russische und syrische Kräfte östlich von Aleppo auf eine Offensive vor und haben mit Militäraktionen begonnen, die einigen Beobachtern zufolge die intensivsten des ganzen Krieges sind. Teile des Ostens von Aleppo befinden sich unter der Kontrolle von Al-Kaida (Nusra)- und ISIS-Kämpfern, aber diese sind eingekesselt und werden jetzt ganz vertrieben. Wenn die russisch-syrische Offensive um Aleppo Erfolg hat, werden sich mehr als 85% der syrischen Bevölkerung im Herrschaftsbereich der Regierung Assad befinden.

Lang zufolge haben die Russen sich immer die Option des militärischen Siegs offengehalten, doch Präsident Putin bemühte sich aus globalstrategischen Gründen um eine diplomatische Lösung mit den USA, solange noch wenigstens eine geringe Aussicht auf Erfolg bestand.

Klar ist, daß Kerry für die hart erkämpfte Einigung mit Lawrow niemals die Rückendeckung der gesamten US-Regierung hatte. Elemente im Pentagon, allen voran Verteidigungsminister Ashton Carter, widersetzten sich offen einer direkten Zusammenarbeit mit den russischen Streitkräften und Nachrichtendiensten im Kampf gegen die Dschihadisten, und es gelang ihnen, dies schon in der ersten Umsetzungsphase zu sabotieren. Als US-Kampfflugzeuge Stellungen der syrischen Armee bombardierten, ihnen schwere Verluste zufügten und erst nach einer Stunde damit aufhörten (nachdem russische Verbindungsleute sie deswegen kontaktiert hatten), war die Aussicht auf eine amerikanisch-russische militärische Zusammenarbeit, wie sie das Geheimabkommen von Kerry und Lawrow vorsah, schon weitgehend zunichte gemacht. Als die USA dann noch Rußland vorwarfen, es hätte den UN-Hilfskonvoi bombardiert, und das sogar noch, nachdem die UN ihre ursprüngliche Darstellung korrigiert hatte, war dies das Aus für das Abkommen.

Es kann sich nun durchaus erweisen, daß die syrisch-russisch-iranischen Kräfte den Syrienkrieg gewinnen können. Das wird Hysterie in Saudi-Arabien und in einigen Kreisen in Washington, London und Paris auslösen. Die Lehre daraus ist, daß Rußland keineswegs „nur eine Regionalmacht“ ist, wie Obama behauptet. Es ist eine nuklear bewaffnete Großmacht, die sich jetzt als wichtiger Mitspieler im Großraum Nahost-Nordafrika zurückgemeldet hat, an dem niemand mehr vorbeikommt.

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