Nach von der Leyen Draghi? Der Vorstoß für einen europäischen Superstaat

Da Ursula von der Leyens Wiederwahlchancen als Präsidentin der Europäischen Kommission im kommenden Juni gleich null sind, drängt die europäische Oligarchie auf Mario Draghi als ihren Nachfolger. Laut diplomatischen Quellen in Brüssel, die La Repubblica am 8.12. zitierte, hat sich der französische Präsident Macron bereits mit Olaf Scholz hierzu beraten.

Die Verschwörung für Draghi begann schon vor einiger Zeit, das zeigt sein Comeback als Leiter einer (von v.d. Leyen ernannten) EU-Kommission zu unlauterem Wettbewerb Chinas bei E-Autos. In jüngster Zeit profilierte er sich faktisch als Anführer der „Unionisten“ mit einer großen Rede, in der er sich für den beschleunigten Aufbau eines europäischen Superstaates aussprach.

Mario Draghi, ehemaliger Goldman-Sachs-Manager, Ex-Präsident der EZB und ehemaliger italienischer Ministerpräsident, erklärte am 29.11., die EU sei in einem „kritischen Moment“ und müsse daher dringend ein eigener Staat werden, um die Krise zu überwinden. „Hoffen wir, daß die Grundwerte, die uns geeint haben, uns auch weiterhin zusammenhalten… Inzwischen hat sich das Wachstumsmodell aufgelöst, und wir müssen eine Art des Wachstums neu erfinden, aber dazu müssen wir ein Staat werden.“

Das „aufgelöste Modell“ ist der Neokolonialismus, der durch das neue Paradigma der Zusammenarbeit mit den BRICS und der Gürtel- und Straßen-Initiative in Frage gestellt wird. Doch weit davon entfernt, den Untergang des alten Paradigmas zu akzeptieren, träumt Draghi davon, es durch eine Kriegswirtschaft und diktatorische Regierungsform aufrechtzuerhalten. So setzt er Aufrüstung und Klimaschutz als oberste Prioritäten seines europäischen Staates:

„Wir als Europa geben drei- bis fünfmal so viel aus wie Rußland, und wir sind nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte Investor bei den Militärausgaben. Es ist also eine Frage der besseren Koordinierung. Das wichtigste ist jetzt, daß wir verstehen, wie wir europäische Fonds zur Finanzierung der Verteidigung und zur Bekämpfung des Klimawandels schaffen können. Wir brauchen auch eine koordinierte Außenpolitik, weil sich die Außenminister treffen, aber keine Einigung erzielen. Wir müssen über eine bessere politische Integration nachdenken, über ein echtes Parlament Europas.“ (Übrigens sagte Draghi dies bei der Vorstellung eines Buches des Journalisten Aldo Cazzullo über das Römische Reich mit dem Titel „Als wir Herren der Welt waren“.)

Wenn Macrons Putsch Erfolg hat, wird der Nachfolger möglicherweise gefährlicher als von der Leyen. Man erinnere sich, daß es Draghi war, der die US-Finanzministerin Janet Yellen überredete, die Dollarreserven der russischen Zentralbank zu stehlen. Aber noch ist das Kapitel nicht geschrieben. Die sog. „Ursula-Mehrheit“, das links-liberal-konservative Bündnis, ist bereits bei den jüngsten Beratungen des Europaparlaments über zentrale Aspekte ihres Green Deal gescheitert (vgl. SAS 48, 49/23). Im nächsten Parlament könnte es zu einer Machtverschiebung kommen.

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