Italien: Debatte über Euro-Austritt rückt in die Establishmentmedien

Die große Frage für die Eurozone, die keiner zu stellen wagt, ist die: Was wird aus Italiens Schulden, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) keine Staatsanleihen mehr kauft? Vielleicht kann EZB-Chef Mario Draghi eine Zuspitzung bis zum Ende seiner Amtszeit 2018 hinauszögern, doch spätestens dann kommt die italienische Schuldenkrise so sicher wie das Amen in der Kirche.

Die italienische Regierung räumt im Text des kürzlich beschlossenen Haushaltsgesetzes zum ersten Mal das Risiko einer Schuldenkrise ein, falls die EZB ihre Käufe drosselt. Und zum ersten Mal gibt es jetzt eine offene Debatte über den „Italexit” in einem maßgeblichen Forum des Establishments, nämlich der Tageszeitung Il Sole 24 Ore, die dem Unternehmerverband Confindustria gehört.

Angestoßen wurde die Debatte vom Ökonomen Luigi Zingales von der Universität Chicago, der vor einem Jahr öffentlich die Glass-Steagall-Bankentrennung befürwortet hat. Er lud zu Gastkommentaren von Pro- und Anti-Euro-Ökonomen ein, u.a. von Prof. Alberto Bagnai, und zog dann am 17.5. nach der ersten Runde von Artikeln vorläufige Schlußfolgerungen. Zingales schreibt: „Die wichtigste Schlußfolgerung ist, daß der Euro eine politische und keine ökonomische Entscheidung ist.“ Die Argumente der Ökonomen seien in der Debatte widerlegt worden, da Vorteile wie Preisstabilität und niedrige Zinskosten für Staatsanleihen durch die realwirtschaftlichen Resultate zunichte gemacht würden. „Von 2008 bis 2013 fiel die Inlandsnachfrage in Italien um 16%. Wieviel Rezession sollen wir noch durchmachen, bis wir wieder wettbewerbsfähig sind?”

Es gehe um zwei politische Erwägungen: zum einen, daß die europäische Einigung Kriege verhindern werde, und zum anderen, daß der Euro die „orthopädische“ Funktion habe, bestimmte wirtschaftspolitische Entscheidungen zu erzwingen.

Zum ersten Punkt sagt Zingales: „Glauben wir wirklich, daß Italiener und Deutsche sich heute enger verbunden fühlen als vor 20 Jahren, als der Euro eingeführt wurde? Wenn man die Seiten dieser Zeitung liest, gibt es da beträchtlichen Zweifel.”

Zur zweiten Erwägung: „Das ,institutionelle Korsett’ … war der Grund, warum Argentinien Anfang der 90er Jahre beschloß, seine Währung an den Dollar zu binden. Es ging nicht gut aus.” Im Gegenteil könne das institutionelle Korsett so schmerzhaft werden, daß der Patient dagegen aufbegehrt. „Das wäre die schlechteste aller möglichen Welten.”

Sein Fazit: „Es reicht nicht, zu erklären, daß der Euro unumkehrbar ist. Italien steht vor dem Risiko, hinausgeworfen zu werden (wie man Griechenland 2015 androhte) oder zum Ausstieg inmitten einer schweren wirtschaftlichen oder politischen Krise gezwungen zu sein. Deshalb ist es, unabhängig von unserer politischen Meinung über den Euro, nicht nur wichtig zu verstehen, was es Italien kostet, aus dem Euro auszusteigen, sondern wie stark diese Kosten variieren können, als Funktion davon, wie der Ausstieg passiert. Mit diesem Thema werden sich die nächsten Beiträge befassen.”

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