Immer größere Kluft zwischen Politik und Wirtschaft in Europa

Beim diesjährigen St. Petersburger Wirtschaftsforum (SPIEF) ging Europas Wirtschaft erneut für die Verbesserung der Ost-West-Beziehungen voran, während die Politik noch der aus London und Washington diktierten antirussischen Linie folgt. Angeführt von Italien, das einen besonderen Pavillon als Gastland hatte, schlossen europäische Industrieunternehmen umfangreiche Abkommen mit russischen Partnern.

Italien folgt dabei der neuen Formel „Made with …“ anstelle von „Made in …“ Der Chef des Verbands der Lebensmittelindustrie Fedalimentare, Pier Luigi Scordamaglia, erläuterte dieses Konzept Anfang Juni in einem Interview mit La Repubblica: „Italien und Rußland sind synergetische Länder, es gibt keine Alternative zur Integration. Wir möchten ein neues Geschäftsmodell einführen: Nicht mehr made in Italy, sondern made with Italy, dank des Mehrwerts an Knowhow, Qualität und Innovation.“

Durch die russischen Gegensanktionen seien die italienischen Agrarausfuhren nach Rußland um 40% geschrumpft, dennoch gebe es großes Potential für den Handel. „Wir entwickeln bereits Gemeinschaftsvorhaben bei Produkten, die nicht vom Embargo betroffen sind.“ Als Beispiel nannte Scordamiglia den Export italienischer Landmaschinen und Anlagen zur Lebensmittelverarbeitung, die Rußland für den Aufbau eigener Kapazitäten als Ausgleich für die entfallenen EU-Einfuhren braucht.

Der Organisator der italienischen Ausstellung beim SPIEF, Antonio Fallico, sagte in einem Interview: „Italien hat Rußland trotz der schwierigen Periode und internationalen Spannungen nicht isoliert.“ Italien habe seine Chancen im Zusammenhang mit Moskaus Politik der Importsubstitution erkannt. „Made with Italy“ sei dabei der neue Eckpfeiler für die Stärkung der bilateralen Beziehungen.

Italienische und russische Vertreter schlossen zwei Vorabkommen, fünf Abkommen und zwei Absichtserklärungen im Gesamtwert von mehr als 1 Mrd.€ in den Bereichen Infrastruktur, Medizin, Energie, Landwirtschaft und Unterhaltung.

Ministerpräsident Renzis Anwesenheit und der Sonderstatus für Italien als Gastland trugen zu diesen Abschlüssen bei, was von den deutschen Wirtschaftsvertreter sehr wohl bemerkt wurde. Bisher halten sie sich auf Befehl aus Berlin bedeckt, auch wenn dies Nachteile gegenüber der Konkurrenz bedeutet. Aber der Bau der Pipeline Nord Stream 2 wird russischen Quellen zufolge weiter betrieben – man will nur möglichst wenig Aufsehen darum. Italien hatte kürzlich gegen diese geplante Nordsee-Pipeline protestiert und darauf die Antwort erhalten, auch „South Stream“ bleibe eine Option, man könne wieder darüber verhandeln.

Aber damit eine „Win-win-Wirtschaftskooperation“ im gegenseitigen Interesse möglich wird, muß die gegenwärtige Stimmung des Kalten Krieges beendet werden, auch wenn es den Europäern schwerfällt.

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