Hintergrund: Warum man Herrhausens Erbe aufgreifen muß

In den letzten Wochen verbreiteten Lyndon und Helga LaRouche neue Aufrufe zu einem Paradigmenwechsel im Banken- und Kreditwesen, zurück zur Tradition von Alfred Herrhausen. Der Chef der Deutschen Bank wurde im November 1989 ermordet, angeblich von der „3. Generation“ der Terrorgruppe RAF (Rote Armee Fraktion), deren Existenz aber nie wirklich bewiesen wurde.

Nach dem Wall-Street-Krach vom Oktober 1987 hatte Herrhausen ein neues Paradigma im globalen Bankwesen gefordert, u.a. einen großzügigen Schuldenerlaß für Entwicklungsländer und Kreditvergabe für die Produktion. Ein Beitrag von ihm im Handelsblatt im Juni 1989 zeigte seine Bereitschaft, die Axiomatik des Systems der Post-Bretton-Woods-Ära insgesamt zu überdenken. Er betonte, die Zeit sei reif für neue Lösungen der seit 1982 andauernden internationalen Schuldenkrise. Dabei müsse man die veränderte Natur des Problems und die Realitäten für die verschiedenen Beteiligten berücksichtigen.

Herrhausen gehörte zu den engsten Beratern des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und zu den wichtigsten Autoren des 10-Punkte-Programms, das Kohl am 28.11.1989 vorstellte, das eine schrittweise wachsende wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen beiden deutschen Staaten und allgemein zwischen West- und Osteuropa vorsah.

Es war kein Geheimnis, daß Herrhausens Ansichten auf den fanatischen Widerstand führender Kreise des transatlantischen Finanzsystems stießen, und seine Ermordung kam diesen Kreisen mindestens sehr „gelegen“. In einer geplanten Rede über Europas Zukunft, die er wenige Tage nach dem Mord in New York halten wollte, beschrieb Herrhausen seine Vision.

Eine Schlüsselpassage dieser nicht gehaltenen Rede befaßte sich mit Polen und dessen hohen Auslandsschulden: „[Es] soll sichergestellt werden, daß die neuen Kredite in vielversprechende Projekte fließen. Deshalb ist es empfehlenswert, wenn die Ausfuhrbürgschaften, die die Bundesregierung ausweiten will, überwiegend projektgebunden sind. Tatsächlich war es ein polnischer Vorschlag, daß ein Expertenteam aus beiden Ländern in Frage kommende Projekte untersucht, um sicherzustellen, daß die kostspieligen Fehler der 70er Jahre vermieden werden. In diesem Zusammenhang schlug ich auf der diesjährigen Jahrestagung der Weltbank und des IWF in Washington die Einrichtung einer Entwicklungsbank vor Ort vor, d.h. in Warschau. Ihre Aufgabe sollte es sein, die materielle Hilfe zu bündeln und nach strengen Vergaberichtlinien einzusetzen. Ich könnte mir durchaus denken, daß eine solche Institution nach dem Grundmuster der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau – deren Ursprung auf den Marshall-Plan zurückgeht – errichtet werden kann.“

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