Hat Ursula von der Leyen die Opposition gefragt, was sie von der Kiewer „Demokratie“ hält?

Nach der Entscheidung des Europäischen Rates vom 23.6., der Ukraine den Kandidatenstatus zu verleihen, war die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, am 1.7. in Kiew, um den Ukrainern die „Reformen“ zu diktieren, die sie nun durchführen müssen, um sich für die Mitgliedschaft zu qualifizieren. In ihrer Rede vor dem Parlament in Kiew hieß sie die Ukraine im „demokratischen Europa“ willkommen. „Sie haben seit 2014 einen langen Weg zurückgelegt“, sagte sie. „Sie haben sich entschieden, eine Demokratie zu sein und in einem Rechtsstaat zu leben.“

Sie erwähnte nicht (und hat es auch nie getan) die Neonazis und extremistischen Nationalisten, die weiterhin Schlüsselpositionen im Land innehaben, noch das Verbot von Oppositionsparteien, noch die Hexenjagd gegen die russische Kultur, noch die Umwandlung der ukrainischen Gerichte in ein politisches Werkzeug. Man muß davon ausgehen, daß dies alles aus Sicht der EU keine Rolle spielt, solange das Regime antirussisch ist.

Am 20.3. 2022 verbot Präsident Wolodymyr Selenskyj 11 Parteien, darunter die Oppositionsplattform für das Leben (OPFL) des inzwischen inhaftierten Viktor Medwedtschuk, die 10% der Sitze im Parlament (Rada) innehatte, und die Progressive Sozialistische Partei der Ukraine (PSPU), die bis zu ihrem Verbot von Dr. Natalja Witrenko und Wolodymyr Martschenko, langjährigen Verbündeten des Schiller-Instituts, geführt wurde. Am 3.5. verbot die Rada dann „prorussische Parteien“ durch ein Gesetz, das Selenskyj am 14.5. unterzeichnete. Bislang wurden 14 Parteien verboten und die Beschlagnahmung ihres Eigentums angeordnet.

Zur Umsetzung des neuen Gesetzes haben das Justizministerium und der ukrainische Sicherheitsdienst (SBU) Verfahren gegen die einzelnen Parteien eingeleitet, die nun vor einem Berufungsgericht in Lviv verhandelt werden. Den bestellten Anwälten wurde jedoch die Teilnahme untersagt. Die PSPU war die einzige Partei, die nicht nur versuchte, sich zu verteidigen, sondern auch eine Gegenklage einreichte, die am 23.6. abgewiesen wurde. Unter Berufung auf Verstöße gegen die Unschuldsvermutung, den Schutz gegen die rückwirkende Anwendung von Gesetzen und zahlreiche Präzedenzfälle in Urteilen des Europäischen Gerichtshofs weist sie die Vorwürfe Punkt für Punkt zurück – darunter auch völlig falsche Anschuldigungen wegen ausländischer Finanzierung und angeblich „prorussischer“ Äußerungen.

Eine weitere der verbotenen politischen Gruppen ist die Partei Scharij, die von Anatolij Scharij gegründet wurde, einem populären ukrainischen Blogger und langjährigen Kämpfer gegen Korruption und Neonazismus in der Ukraine, der jetzt im spanischen Exil lebt. Am 29.6. veröffentlichte er ein 20-minütiges Video mit englischen Untertiteln, in dem er die juristischen Travestien vor dem Gericht in Lemberg seziert. Wir empfehlen das Video allen, die sich um die „Demokratie“ in Europa und anderswo sorgen.

Die ehemaligen Abgeordneten Natalia Witrenko und Wolodymyr Martschenko haben beide den jüngsten Aufruf des Schiller-Instituts zur Einberufung einer neuen Bretton-Woods-Konferenz unterzeichnet (siehe Beilage dieser Woche).

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