Frankreich mit einer neuen liberalen, EU-freundlichen Regierung, aber für wie lange?

Eines läßt sich mit Sicherheit über die neue französische Regierung sagen: Ihre Zusammensetzung spiegelt das derzeit größte Anliegen des neugewählten Präsidenten wider. Am 11.6. finden Parlamentswahlen statt, eine Woche später die zweite Runde, und Emmanuel Macron möchte dabei eine Mehrheit für seine erst vor einem Jahr gegründete Partei „En Marche“ gewinnen.

Um Wähler anzulocken, versammelt er ein buntes Sammelsurium aus Politikern von Rechts, Links und der Mitte, plus einen radikalen Grünen. An der Spitze steht Ministerpräsident Edouard Philippe von den konservativen Republikanern, der dem alten Strippenzieher Alain Juppé von der Chirac-Fraktion nahe steht. Abhängig von der Zusammensetzung der neuen Nationalversammlung wird sich das Kabinett nach der Wahl wahrscheinlich entsprechend ändern.

Viele Medien loben den jungen Präsidenten über den grünen Klee, er bringe Frankreich und Europa „frischen Wind“, aber jenseits solcher Stimmungsmache deutet nichts in seinen politischen Plänen darauf hin, daß er etwas anderes als ein typischer Mann des Establishments ist.

Was Macron bisher ankündigt, zeigt eine sehr liberale, markt- und EU-freundliche Orientierung. Er fordert eine Art Regierung für die Eurozone, u.a. einen Finanzminister, gestützt auf ein Parlament der Euro-Länder. Und die Nominierung der extrem EU-orientierten Sylvie Goulard als Verteidigungsministerin ist ein schlechtes Zeichen, zumal derzeit immer mehr von einer gemeinsamen EU-Verteidigung die Rede ist.

Innenpolitisch propagiert Macron rücksichtslose Haushaltskürzungen von insgesamt 60 Mrd.€ – u.a. indem 120.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nach der Pensionierung nicht ersetzt werden sollen –, um das Defizit auf die von den Maastricht-Kriterien geforderten 3% des BIP zu senken. Er will auch eine Reform der Arbeitsgesetze, damit Unternehmen Mitarbeiter leichter entlassen können, sowie die Aufhebung anderer Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmer. Wenn er tatsächlich darauf besteht, wird es Massenproteste dagegen und vielleicht sogar soziales Chaos geben. Energiepolitisch will Macron keinen Atomausstieg, möchte aber Präsident Hollandes Plan einer Senkung des Atomstromanteils von jetzt 75% auf 50% fortsetzen, wobei der Zeitplan vielleicht über 2025 hinaus verlängert wird. Darum wird es in der Regierung mit Sicherheit Streit geben, da der Energie- und Umweltminister Nicolas Hulot extrem grün ist, während Ministerpräsident Philippe früher beim Atomkonzern Areva tätig war und als Kernkraftbefürworter bekannt ist.

Wieviel Macron von seinem angekündigten Programm umsetzen wird, ist völlig offen. Wie der frühere Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade oft betont hat, ist Macron ein „Chamäleon”, er hängt sein Mäntelchen nach dem Wind.

„Daraus kann man schließen, daß er nicht selbst den Kurs bestimmen wird, sondern daß er darauf achtet, woher der Wind weht, und sich anpassen wird“, schrieb Cheminade kürzlich. Somit werde Macrons Präsidentschaft davon abhängen, was international geschieht, u.a. um China und BRICS, und innenpolitisch davon, „welcher Druck auf ihn ausgeübt werden wird“.

Das sei „unsere unmittelbare Herausforderung“, so Cheminade weiter. Man solle keine Zeit damit vergeuden, zu analysieren, was Macron vielleicht tut oder nicht, sondern „was jeder von uns beitragen kann, um ihn zu zwingen“, das richtige zu tun. „Das definiert den Geist der Fünften Republik, die de Gaulle durch die Bürgerbeteiligung erreichen wollte.“

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