Europäische Union: Der Instabilitätspakt ist zurück

Die neue Fassung des sog. „Stabilitätspakts“ zur Regelung der Finanzpolitik der EU-Staaten wurde am 23.4. vom Europäischen Parlament abgesegnet und am 29.4. vom Europäischen Rat der Regierungschefs gebilligt. Nach vier Jahren Aussetzung seit Beginn der COVID-Pandemie herrscht in der EU-Wirtschaft damit wieder Austerität, zumindest formell. Die neuen Regeln für ausgeglichene Staatshaushalte sind offiziell „weicher“, weil sie Ausnahmen zulassen, aber diese werden mit einem Verlust an Souveränität teuer erkauft. Unter dem reformierten Pakt müssen hochverschuldete Länder einem Vierjahresplan folgen (unter bestimmten Umständen auf sieben Jahre gestreckt), um ihr Defizit auf 1,5% des BIP zu senken. Für Länder mit einer Verschuldung über 90% des BIP (Italien, Frankreich und ein Dutzend andere) ist eine jährliche Ausgabenkürzung um 1% des BIP vorgeschrieben.

Tatsächlich sollte er besser „Instabilitätspakt“ heißen, denn genau das wird er verursachen, wenn versucht wird, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlichen rücksichtslosen Kürzungen und Steuererhöhungen umzusetzen. Er wird wahrscheinlich scheitern, aber vorher schweren Schaden anrichten.

Gleichzeitig mit der Wiedereinführung der fiskalischen Zwangsjacke sollen die Ausgaben für Verteidigung und die Energiewende massiv erhöht werden; dies macht die Umsetzung so gut wie unmöglich – es sei denn unter unerträglichen sozialen Opfern.

Die Rückkehr zur Austerität in der EU widerspricht scheinbar der Strategie des französischen Präsidenten und anderer Regierungen, Ex-EZB-Chef Mario Draghi zum Nachfolger der scheidenden Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu machen. Auf der Hochrangigen Konferenz zur europäischen Säule sozialer Rechte im belgischen La Hulpe am 16.4. hielt Draghi eine in den Medien als seine „Wahlplattform“ gepriesene Rede, worin er einen „radikalen Wandel“ der EU-Politik forderte und die „prozyklische“ Politik der Vergangenheit anprangerte.

Der Widerspruch ist jedoch nur scheinbar. In einer Vorschau auf den Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit, den er im Juni nach der Europawahl vorlegen wird, nannte Draghi drei Bereiche, in denen das Wachstum gefördert werden sollte: Verteidigung, Digitalisierung und Klimainvestitionen. Wie soll das finanziert werden? „Der öffentliche Sektor muß eine wichtige Rolle spielen, und … wir können die gemeinsame Kreditaufnahmekapazität der EU besser nutzen, insbesondere in Bereichen – wie der Verteidigung -, in denen fragmentierte Ausgaben unsere Gesamteffizienz verringern.“

Mit anderen Worten: Während es den Regierungen verboten ist, Schulden zu machen, soll es der EU erlaubt sein. Draghi bezieht sich auf europäische Gemeinschaftsschulden, die auf den Finanzmärkten verkauft werden, ähnlich wie der „Rettungsfonds“ nach der COVID-Pandemie. „Den größten Teil der Investitionslücke werden private Investitionen decken müssen“, sagte er, z.B. private Ersparnisse, die in die Kapitalmarktunion fließen. Erinnert das jemand an Hjalmar Schacht?

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