Erdogan putscht gegen die eigene Regierung

Der Rücktritt des türkischen Ministerpräsidenten Ahmed Davutoglu ist ein Riesenschritt hin zur Konsolidierung autoritärer Machtbefugnisse für Präsident Recep Tayyip Erdogan, der ein neuer osmanischer Sultan sein möchte. Noch gefährlicher ist, daß dies die Fortsetzung der Operationen zum Sturz von Baschar Al-Assad in Syrien und die Sabotage der Friedensbemühungen in der Region bedeutet.

Davutoglus Rücktritt folgte nur Stunden nach dem Beschluß der Europäischen Kommission, Türken Visumfreiheit zu gewähren, womit Zweifel an dem schmutzigen Flüchtlingsdeal der EU mit Ankara aufkommen.

Hinzu kommt eine Welle brutaler Unterdrückung jeder Opposition gegen Erdogans Politik, u.a. mit eklatanter Mißachtung der Pressefreiheit. Der Chef der größten türkischen Oppositionspartei, der Republikanischen Volkspartei, Kemal Kiliçdaroğlu, erklärte: „Man sollte Davutoglus Rücktritt nicht als parteiinterne Frage sehen. Jeder, der für die Demokratie ist, muß Widerstand gegen diese Palastrevolution leisten.“

Es handelt sich tatsächlich um einen Putsch, da laut der türkischen Verfassung der Präsident als zeremonielles Staatsoberhaupt sich von der Parteipolitik fernhalten soll, deshalb drängt Erdogan auf eine Verfassungsänderung, die ihm Exekutivmacht gibt. Faktisch hat er sie schon an sich gerissen, wie er am 6.5., einen Tag nach Davutoglus Rücktritt, sagte: „Jetzt gibt es kein zurück mehr. Das sollten jetzt alle akzeptieren.“

Erdogan hatte zwar 2014, als er Präsident wurde, Davutoglu selbst als Ministerpräsident ausgewählt, doch diesem wurde vorgeworfen, nicht alle Wünsche des Präsidenten zu erfüllen, allem voran die Forderung, im Parlament oder per Referendum die Verfassungsänderung durchzusetzen.

In einer Auflistung der Auseinandersetzungen zwischen beiden nennt Hurriyet Davutoglus geplantes Treffen mit Präsident Obama und Vizepräsident Biden in Washington, das eigentlich in der Woche stattfinden sollte, in der er dann zum Rücktritt gezwungen wurde. Obama sagte wegen „Terminüberlastung“ ab, in Wirklichkeit hatte Erdogan seinen Freund im Weißen Haus wissen lassen, daß er dagegen war.

Der neue Ministerpräsident wird auf einem Sonderparteitag der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung am 22.5. bestimmt. Viele Namen sind im Gespräch, einer davon ist Energieminister Berat Albayrak, Erdogans Schwiegersohn. Aber auch alle anderen Kandidaten haben ihre politische Karriere Erdogan zu verdanken.

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