Eine Neutralität nach österreichischem Vorbild für die Ukraine

In der Diskussionsrunde des SI-Webinars am 26.5. warf Oberst Black einige interessante Fragen zur Militärstrategie auf, die auf seiner persönlichen Erfahrung aus 32 Jahren in Uniform beruhen. Eine Frage bezog sich auf Berichte, die Russen würden in der Ukraine einen „Häuserkampf“ führen und systematisch zivile Infrastruktur zerstören, was angeblich den Methoden der Amerikaner nicht entspreche. „Die Menschen vergessen leicht, was wir früher Shock and Awe nannten“ – die offizielle Strategie des Pentagons, die gegen den Irak eingesetzt wurde. „Wir gingen hinein, bombardierten massiv und zerstörten das gesamte Stromnetz, die Wasserversorgung, die Lebensmittelverteilung, die Transportnetze. Alles, was für das menschliche Leben notwendig war, wurde zerstört… Inzwischen kämpfen wir nun schon seit 30-31 Jahren im Irak, und das Stromnetz, das wir damals bei unserem Angriff zerstört haben, wurde nie ganz wiederhergestellt. Saddam Hussein hatte ein sehr gutes Stromnetz, aber wir waren nie fähig, es zu ersetzen, weil uns die Menschen im Irak völlig egal waren.“

Zur aktuellen Krise merkte Black an, seiner Meinung nach wäre in der Kubakrise eine US-Invasion auf Kuba „voll und ganz gerechtfertigt“ gewesen, weil die sowjetischen Raketen eine ernsthafte nukleare Bedrohung nahe der Grenze darstellten. Die Bedrohung für Rußland sei heute ähnlich, aber noch näher an seiner Grenze. Daher sollte man sich „letztendlich auf die österreichische Lösung konzentrieren“. Im Rahmen des 1955 geschlossenen Vertrags schrieb Österreich in der Verfassung „immerwährende Neutralität“ fest und erlaubt keine ausländischen Truppen auf seinem Territorium. Infolgedessen war Österreich „auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges eine Insel der Ruhe, während wir Tausende von Panzern, Raketen und Artilleriegeschützen hatten. Ich war damals Teil der NATO; ich erinnere mich sehr gut daran. Wir waren bereit für eine Invasion an der Fulda-Lücke. Unterdessen konnte ich nach Österreich fahren und besuchte den Christkindlmarkt, wo die Menschen Weihnachten und die Geburt Christi feierten. Es gab Lichter und Kerzen, und die Menschen waren froh und glücklich. Gleichzeitig waren die Menschen am Eisernen Vorhang überall angespannt und standen sich mit Bajonetten und Artillerie gegenüber.“ Eine solche Lösung brauche man heute für die Ukraine.

„Realistisch gesehen wird Rußland das Gebiet nicht aufgeben“, das es in schwierigen Kämpfen erobert habe, aber es müsse auch Garantien für die Sicherheit der Ukraine geben. „Es gibt Lösungen, und wir sollten lieber jetzt anfangen, darüber zu reden, und aufhören, über eine Eskalation hin zum Atomkrieg zu reden.“

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