Das mutige kleine Belgien legt einen Sprengsatz unter CETA

Nach zwei Wochen Drohungen, Ultimaten und hektischen Verhandlungen gab es in Belgien am 28.10. eine politische Einigung, die erlaubt, daß die 28 EU-Staaten und Kanada das Freihandelsabkommen CETA unterzeichnen. Der Ratifizierungsprozeß in den nationalen Parlamenten wird sich wahrscheinlich über Jahre hinziehen, bis dahin soll der Vertrag „vorläufig“ angewendet werden.

Bis zu der Einigung in Belgien herrschte 14 Tage lang völlige Panik unter den EU-Unterhändlern, seit das wallonische Regionalparlament entschieden hatte, daß der Vertrag – den Brüssel und Ottawa 2009-15 heimlich aushandelten – unannehmbar sei, und dagegen stimmte.

Mit gutem Grund. Da die Zölle zwischen der EU und Kanada ohnehin weitestgehend abgeschafft sind, soll CETA den Handel vor allem durch Privatisierungen und Lockerung von Schutzvorschriften in Landwirtschaft, Gesundheitswesen, öffentlichem Sektor und Arbeitsrecht fördern. Weiter wird ein System für den Investorenschutz geschaffen, unter dem multinationale Unternehmen Regierungen verklagen können, wenn Gesetze oder Vorschriften ihre Gewinne oder Gewinnerwartungen schmälern – selbst bei Gesetzen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Umwelt oder der Arbeitnehmerrechte.

Nachdem der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette gedroht hatte, die Verhandlungen abzubrechen, wurde der Vertrag durch vier Seiten Zusätze ergänzt. Sie erlauben es Belgien, in der Übergangsperiode aus dem CETA-Vertrag auszusteigen – was auch schon Deutschland gewährt wurde, falls bestimmte Garantien nicht erfüllt werden. Die Zusätze gewähren auch Schutz für Landwirtschaft, öffentlichen Sektor und Gesundheitswesen, zudem müssen kanadische Tochterunternehmen von US-Firmen alle Handelsgesetze der EU einhalten.

Noch wichtiger ist, daß die belgische Regierung sich an den Europäischen Gerichtshof wendet, damit dieser entscheidet, ob das System der privaten Schiedsgerichte für den Investorenschutz legal ist. Die EU hatte sich nie die Mühe gemacht, zu überprüfen, ob dieses System mit den Verfassungen der EU-Staaten vereinbar ist.

Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dürfen keine privaten Schiedsgerichte Urteile fällen. Belgien wurde zugestanden, daß in den kommenden Jahren öffentliche Gerichte eingerichtet werden, deren Richter von den Regierungen ernannt werden, die in Handelsstreitfragen entscheiden, und vorher wird es den Vertrag nicht ratifízieren.

Wir erinnern daran, daß das deutsche Verfassungsgericht am 13.10. entschied, daß Deutschland zwar CETA unterzeichnen dürfe, aber den Schiedsgerichten nicht zustimmen könne, weil das Gericht deren Verfassungsmäßigkeit noch nicht geprüft hat.

Weithin herrscht die Auffassung, daß das „neue CETA“ schon fast der endgültige Todesstoß für das anvisierte Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ist.

Nicht nur in Belgien gab es gewaltige Unterstützung für die Haltung Walloniens. Mehr als 2000 Städte und Gemeinden in Europa haben sich zur „TTIP-freien Zone“ erklärt, und in mehreren Ländern wurden Klagen gegen CETA eingereicht. In Kanada stellte sich der Bauernverband NFU auf die Seite der Wallonen, und am 24.10. wurde in Toronto Verfassungsbeschwerde eingereicht. Es zeigt sich, daß Mobilisierungen der Bevölkerung und politische Initiativen tatsächlich etwas für den Schutz der Menschen bewirken können.

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