ASEAN-Mitglieder sollten sich vor einer NATO-Expansion nach Asien hüten
Während sich die Aufmerksamkeit der Weltmedien in der zweiten Juliwoche auf die Kriegsvorbereitungen des NATO-Gipfels in Vilnius konzentrierte, ging es am anderen Ende der Welt bei den Treffen in Jakarta (Indonesien), an denen die ASEAN (Association of South East Asian Nations) und ihre asiatischen Nachbarn teilnahmen, um die Schaffung von Frieden.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der von allen Treffen mit seinen westlichen Amtskollegen ausgeschlossen wurde, war so etwas wie ein Ehrengast in der indonesischen Hauptstadt. Er nahm an einem trilateralen Treffen mit China und Indonesien teil und führte eine Reihe von bilateralen Gesprächen mit seinen Amtskollegen, unter anderem mit Wang Yi, dem Leiter des Büros für auswärtige Angelegenheiten des Zentralkomitees der KPCh.
Der russische Spitzendiplomat warnte seine ASEAN-Freunde vor der Gefahr, daß der Westen ein NATO-ähnliches Bündnis im asiatisch-pazifischen Raum schaffen könnte. Die NATO hatte dies zwar bestritten, doch die Tatsache, daß sie die Staats- und Regierungschefs von Japan und Südkorea, zwei der engsten militärischen Verbündeten Washingtons in Asien, nach Vilnius eingeladen hatte, deutete darauf hin, daß sie sich in diese Richtung bewegte. Lawrow warnte, daß dies eine Gefahr für den ASEAN-Geist darstellen würde, der zu Einheit und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder aufruft.
Chinas oberster Außenpolitiker, Wang Yi, war während seines Besuchs in Jakarta besonders aktiv und nahm an vier multilateralen Veranstaltungen teil, darunter das ASEAN+3-Treffen (die zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten plus China, Japan und Südkorea) und der Ostasiengipfel, und führte 13 bilaterale Gespräche. Er mahnte auch zur Wachsamkeit bei der Wahrung von Frieden und Harmonie in der asiatisch-pazifischen Region und zur Verhinderung einer neuen Teilung der Region durch den Kalten Krieg. Bei Treffen mit seinen japanischen und südkoreanischen Amtskollegen unterstrich er die Bedeutung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen. Er wies auch darauf hin, daß sich die chinesisch-japanischen Beziehungen angesichts der Neigung von Premierminister Kishida zu einem engeren Militärbündnis mit den USA in einer kritischen Phase befänden und daß die Entscheidungen, die Japan in Zukunft treffen werde, für die Zukunft der Beziehungen entscheidend seien.
Gegenüber dem indischen Außenminister Jaishankar drängte Wang Yi Berichten zufolge auf eine engere Zusammenarbeit und die Gleichbehandlung chinesischer Unternehmen, die in Indien tätig sind. Schließlich stellen wir fest, daß bei seinen bilateralen Treffen mit Außenminister Anthony Blinken und dem Leiter der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, der Ton offenbar herzlicher war als die scharfe Rhetorik, die man im Allgemeinen in Washington und Brüssel sowie in anderen westlichen Hauptstädten hört. Vielleicht lag dies daran, daß das Umfeld für die „regelbasierte Ordnung“ nicht besonders günstig war, vielleicht war es aber auch Teil des laufenden Versuchs, Peking von Moskau wegzulocken. Doch nur einen Tag später wurde bekanntgegeben, daß Rußland im nächsten Monat an Militärübungen mit China im Japanischen Meer teilnehmen wird…