Abstimmung über Amtsenthebung stürzt Brasilien in neue Phase der Unregierbarkeit

In einer Kongreßsitzung, die einer Mischung aus einem römischen Zirkus und Fußball-Rowdytum glich, wurde am 17.4. spätabends mit Zweidrittelmehrheit ein Amtsenthebungsverfahren gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff beschlossen (367 Stimmen dafür, 137 dagegen, bei neun Enthaltungen bzw. Abwesenheiten). Wenn jetzt noch eine einfache Mehrheit im Senat dafür stimmt, muß Rousseff für die Dauer des Verfahrens ihr Amt aussetzen.

Der Vorwurf gegen die Präsidentin ist, zurückhaltend ausgedrückt, fadenscheinig. Man wirft ihr vor, sie habe „mit Bilanztricks das wahre Ausmaß des Haushaltsdefizits verschleiert“, wie es der Londoner Economist formulierte. Wieviel Regierungen könnten von sich behaupten, davon völlig frei zu sein? Wenn Rousseff zum Rücktritt gezwungen wird, wäre ihr Nachrücker der gegenwärtige Vizepräsident Michel Temer, dem aber die gleiche Bilanzmanipulation vorgeworfen wird.

Auch gegen etliche Anführer der Absetzungskampagne wird wegen Korruption ermittelt, und es könnten bald Verfahren gegen sie beginnen. Da die Finanzoligarchie fordert, daß die nächste Regierung unbeschränkte Austerität durchsetzen muß, sind nun politisches und soziales Chaos an der Tagesordnung.

Die Rückkehr von Ex-Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner in die politischen Kämpfe in Argentinien stärkt die Fraktion um Präsidentin Rousseff, Ex-Präsident Lula da Silva und andere in Südamerika, die hartnäckigen Widerstand gegen die Kampagne ankündigten und zurecht von einem „versuchten Staatsstreich“ sprechen. Es wird weithin eingeräumt, daß es sich um einen unverblümten Versuch handelt, eine demokratisch gewählte Präsidentin zu stürzen. Dahinter steckt die Absicht, Brasilien aus der BRICS-Gruppe herauszubrechen, die unabhängig vom Finanzsystem der Wall Street und der City wirtschaftliche Entwicklung anstrebt.

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