Zepp-LaRouche: Westliche Strategie mehr denn je in Frage gestellt

Bei der Eröffnung des Runden Tisches des Schiller-Instituts zu Afghanistan am 21.8. betonte Helga Zepp-LaRouche, der Schlüssel zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan sei eine rasche wirtschaftliche Entwicklung und damit die Aussicht auf eine vielversprechende Zukunft ohne Krieg. „Afghanistan gehört schon zu den zehn ärmsten Ländern der Welt, es wurde von einer schrecklichen Dürre heimgesucht. Jeder dritte Einwohner Afghanistans ist von Ernährungsunsicherheit betroffen. Und dann gibt es bekanntlich eine Pandemie. Das Schlimmste, was passieren könnte, ist, daß einige schlaue Leute -oder nicht so schlaue Leute -im Westen an einen Finanzkrieg denken und sagen: ,OK, die militärische Option ist ausgeschlossen, weil man in Afghanistan nicht gewinnen kann. Das haben die Briten, die Sowjets und jetzt die NATO bewiesen. Warum verlegen wir also nicht auf finanzielle Kriegsführung?‘“

Bereits jetzt hätten die USA die Guthaben der afghanischen Zentralbank bei der Federal Reserve und anderen US-Finanzinstituten von über 9 Mrd.$ eingefroren. Die Europäische Union habe am 17.8. bis zur „Klärung der Lage“ die gesamte Entwicklungs- und staatliche Hilfe eingestellt, nachdem Deutschland dies für seine nationale Entwicklungshilfe bereits entschieden hatte. Wenn der Westen in einer derart fragilen Situation beschließe, „einen militärischen Aufstand in Kombination mit einem Finanzkrieg“ anzuzetteln, in der Hoffnung, Chaos zu stiften und die Taliban irgendwie zur Aufgabe der Macht zu zwingen, „wäre das die größte Dummheit, die man sich vorstellen kann“.

Die einzige Möglichkeit zur Verbesserung der Lage bestehe darin, Afghanistan und der neuen Regierung, die aus den laufenden Gesprächen hervorgehen wird, Hilfe anzubieten und geopolitische Spielchen zu vermeiden. In der Diskussion betonte Zepp-LaRouche, das bedeute nicht, den Taliban einen Blankoscheck auszustellen oder blind auf deren Versprechungen zu vertrauen: „Natürlich müssen die Taliban in die Pflicht genommen werden.“ Aber um einen politischen Wandel herbeizuführen, müßten wirtschaftliche Entwicklung und die Aussicht auf regionale Integration, z.B. im Rahmen der Gürtel- und Straßen-Initiative, gewährleistet sein. Anstatt sich in ideologische Debatten zu stürzen oder die Bedeutung dieses oder jenes Wortes zu analysieren, gebe es reale und sehr ernste Probleme zu lösen – auch für die Taliban.

Über Afghanistan hinaus sei die gegenwärtige Krise „Ausdruck eines sehr tiefsitzenden Problems darin, wie der Westen diese endlosen Kriege geführt hat – Afghanistan, Irak, Syrien, Jemen, Libyen, die Liste ist sehr lang“. Die westlichen Regierungen müßten ernsthaft darüber nachdenken, ob diese Politik tragfähig ist, oder ob die Niederlage in Afghanistan nicht vielmehr das „Menetekel“ für die westliche Zivilisation ist, das den eigenen Untergang ankündigt, so wie es Heinrich Heine in seinem Gedicht Belsazar beschreibt.

Zum Abschluß ihrer Rede fragte Zepp-LaRouche: „Ist es nicht höchste Zeit, die axiomatischen Annahmen über Rußland, über China, über die Gürtel- und Straßen-Initiative zu ändern? Denn das Angebot zur Zusammenarbeit ist immer noch da, von den Chinesen, von den Russen. Ich denke daher, daß wir uns in einer unglaublich dramatischen Situation befinden, so wie wir dies vor drei Wochen besprochen haben, aber in der Zwischenzeit haben die Ereignisse bewiesen, daß unsere Diskussion äußerst vorausschauend war.“

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