Wie der Westen aus seiner Isolation ausbrechen kann

Die wichtigste Frage in der heutigen Welt ist, ob die USA und Europa in die wachsende Dynamik eines neuen Paradigmas der internationalen Beziehungen, verbunden mit einem Finanzsystem im Dienst von realwirtschaftlicher Entwicklung und Allgemeinwohl, einbezogen werden können. Die westlichen Mächte treiben diese Dynamik selbst voran in ihrem verzweifelten Bemühen, ihre „regelbasierte Ordnung“ durchzusetzen, während sie im Morast wirtschaftlichen Niedergangs und brachialer Militarisierung versinken.

Immer mehr Länder, einschließlich derjenigen im globalen Süden, die traditionell vom Westen abhängig sind, verweigern ihre Beteiligung an dem hochgefährlichen Konflikt zwischen der NATO und Rußland und im weiteren Sinne auch China. Die beispiellosen Sanktionen gegen alles Russische erweisen sich nicht nur als Bumerang für die Länder, die sie verhängt haben, sie stürzen auch ärmere Länder noch mehr in Hunger und Energiemangel – während sie gleichzeitig nichts an der militärischen Eskalation in der Ukraine ändern, die sie angeblich verhindern sollten.

Der indische Außenminister warf den europäischen Regierungen vor, seine große Nation zur Unterwerfung zwingen zu wollen, und betonte, die Probleme Europas seien nicht unbedingt die Probleme der Welt. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union trotzte dem europäischen Druck und traf sich in Sotschi mit Wladimir Putin, um über Getreidelieferungen für Afrika zu verhandeln. Der Amerika-Gipfel, der dieses Jahr von der Biden-Administration ausgerichtet wurde, mußte beinahe abgesagt werden, weil Washingtons inakzeptable Diktate einen Aufruhr auslösten (s.u.). In Asien beteiligt sich außer Japan, Südkorea und Singapur kein Land an den Sanktionen gegen Rußland.

Diese Tatsache veranlaßte den Sprecher der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, am 11.6. zu der Feststellung, daß die Länder, die sich den Sanktionen widersetzen, inzwischen die Wirtschaftsleistung und die Macht der G7 übertreffen. Er wählte eine Gruppe von acht dieser Länder aus, deren BIP (gemessen in Kaufkraftparität) zusammengenommen 24,4% höher ist als das der G7. Die acht von ihm genannten Länder sind: Rußland, China, Indien, Indonesien, Brasilien, Mexiko, der Iran und die Türkei.

Auch in Europa und den USA wachsen die sozialen Unruhen, wenn auch langsam. Die Bevölkerung hat es satt, ständig zu hören, für den Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise sei Rußland verantwortlich, obwohl jeder weiß, daß das Problem schon vor Jahren begann. Sie wird es leid, zu hören, daß die Medien zensiert werden müssen, um subversiver russischer Propaganda und Cyberangriffen entgegenzuwirken. Sie ist mehr als skeptisch, daß weniger Duschen zur Verteidigung der Freiheit und der westlichen Werte in Europa beiträgt. Und sie fragt sich, woher all das Geld für die unbegrenzten Mengen an Waffen und militärischer Ausrüstung für die Ukraine kommen soll, während niemand genau weiß, wo sie tatsächlich landen – sofern sie nicht sofort in dem Konflikt zerstört werden.

Die Frage ist nun, wie diese Unzufriedenheit zu einer Kraft organisiert werden kann, die einen klaren Bruch mit der neoliberalen Politik und eine Zusammenarbeit mit Rußland, China und dem Globalen Süden fordert. Diese Fragen werden auf der Konferenz des Schiller-Instituts am 18.-19.6. aufgegriffen.

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