Welt-Gerichtshof verhandelt Klage gegen Israel wegen Völkermordes

Die wichtigste strategische Auseinandersetzung der Woche ist zweifellos die Anhörung am 11.-12.1. vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag über Südafrikas Klage vom 29.12. gegen Israel wegen Völkermordes an den Palästinensern. Südafrikas Regierung will eine einstweilige Verfügung gegen Israel erwirken, in einem Waffenstillstand die Kriegshandlungen einzustellen. Der IGH, ein Teil der Vereinten Nationen, kann zwar selbst keinen Waffenstillstand durchsetzen, aber die laufende Mobilisierung kann die Voraussetzungen dafür schaffen.

Die Vorwürfe in der Klage (s.u.), die durch seitenlange Zitate israelischer Regierungsvertreter untermauert werden, die ihre Absicht dokumentieren, eine ethnische Säuberung durchzuführen, sind so fundiert, daß kein einziger Völkerrechtsexperte, der den 84-seitigen Schriftsatz gelesen hat, etwas daran auszusetzen hat. Viele Nationen und Organisationen unterstützen die mutige Initiative Südafrikas, das auf eine lange Geschichte im Kampf gegen Apartheid und Menschenrechtsverletzungen zurückblicken kann und Mitglied der BRICS ist.

Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), die 57 Mitgliedsstaaten und fünf Beobachter (u.a. Rußland) hat -, begrüßte umgehend die Initiative und forderte den IGH auf, „dringend Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Massengenozid zu stoppen“. Die jordanische Regierung und die Arabische Liga haben Unterstützungsmaterial vorbereitet. An der Basis ruft eine neue „Internationale Koalition zur Beendigung des Völkermords in Palästina“, die von 600 Organisationen in der ganzen Welt unterstützt wird, Länder dazu auf, die Initiative mitzutragen. Am 7.1. hat sich Bolivien offiziell der Klage angeschlossen.

Die israelische Regierung behauptet, sie werde alle Vorwürfe vor dem Gericht entkräften, aber selbst im Kabinett ist ein offener Streit über die Pläne für Gaza nach Beendigung der Kämpfe ausgebrochen. Ministerpräsident Netanjahu sucht verzweifelt Unterstützung im In- und Ausland. Jüngste Umfragen zeigen, daß nur noch 15% der Bevölkerung wollen, daß er nach dem Krieg im Amt verbleibt. Am 4.1. sandte sein Außenministerium ein Eiltelegramm an seine Botschaften in aller Welt und wies sie an, Druck auf ihre Gastländer auszuüben, „öffentlich und deutlich zu erklären, daß ihr Land diese ungeheuerlichsten [sic], absurden und unbegründeten Anschuldigungen gegen Israel zurückweist“. Drei israelische Beamte übermittelten Axios eine Kopie des Telegramms.

Bei der Regierung Biden ist ein solcher Druck nicht nötig. Der Sprecher des Außenministeriums Matt Miller erklärte am 3.1., seinem Ministerium seien keine Beweise für einen Völkermord bekannt und die Vorwürfe seien „unproduktiv“. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, erklärte am nächsten Tag sogar, die Eingabe sei „unverdient, kontraproduktiv und entbehrt jeglicher Grundlage“.

Das Schiller-Institut ruft zur Unterstützung Südafrikas in diesem „entscheidenden Kampf um die Zivilisation“ auf, der mehr denn je die Dringlichkeit einer neuen internationalen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur unterstreicht (vgl. SAS 10,11/2023).

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