US-Astronauten als Opfer eines geopolitischen Wettlaufs
Fassungslos nimmt die Welt zur Kenntnis, daß die beiden US-Astronauten, die der erste Flug des Boeing Starliner am 5. Juni für einen zehntägigen Aufenthalt zur Internationalen Raumstation (ISS) brachte, dort seit mehr als 70 Tagen festsitzen und voraussichtlich noch sechs Monate auf der ISS verbringen müssen, bevor sie mit einem geplanten Flug der nächsten SpaceX-Rakete zurückkehren können.
Die Probleme mit dem Raumtransporter tauchten schon auf dem Weg zur Station auf: Es traten einige Heliumlecks auf, und beim Andocken fielen einige der Steuertriebwerke aus. Boeing, das die Probleme nur von der Erde aus beheben kann, hat der NASA zwar versichert, man könne die Astronauten mit dem Starliner heil zurückzubringen, aber die Raumfahrtbehörde ist nicht überzeugt. Die Sicherheit der Astronauten steht immer an erster Stelle. Und für das klamme Unternehmen Boeing könnten die zusätzlichen Kosten, wenn der Starliner ohne die Astronauten zurückkehrt, wichtiger sein als deren Wohlergehen.
Was ist bei dem einst zuverlässigen Boeing-Konzern schief gelaufen? Die Antwort liegt nicht zuletzt in der schrittweisen Zerstörung der industriellen Fähigkeiten Amerikas unter der Herrschaft des „Shareholder Value“. Die sog. „Kommerzialisierung der Raumfahrt“ hat dazu geführt, daß das Profitstreben über der Sicherheit der Astronauten und der Effizienz des Programms steht.
Die amerikanische Raumfahrt gilt als eines der erfolgreichsten Programme des letzten Jahrhunderts, und der Grund war, daß es von der gesamten Nation getragen und der kompetenten Leitung einer zivilen Regierungseinrichtung, der NASA, unterstellt wurde. Sie arbeitete nach dem Grundsatz, daß bei den gefährlichen Unternehmungen die Sicherheit der Menschen an erster Stelle steht, ungeachtet der finanziellen oder politischen Kosten.
In diesem Fall ist das Leben der Astronauten wahrscheinlich nicht in Gefahr, auch wenn sie weitere sechs Monate auf engstem Raum leben müssen, was ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Das Verrückte an der Situation ist, daß sie problemlos innerhalb weniger Tage zur Erde zurückgebracht werden könnten – wenn die NASA die russische Raumfahrtagentur Roskosmos um die Entsendung eines Sojus-Raumschiffs bitten würde, das sie abholt. Das hat Roskosmos-Chef Juri Borissow kürzlich bestätigt.
Offensichtlich hat die NASA-Führung wegen des NATO-Krieges gegen Rußland Bedenken, Rußland zu konsultieren, obwohl es das Problem schnell lösen würde. Schließlich ist die Sojus von Anfang an ein fester Bestandteil des Transports zur Raumstation gewesen. Einige bei der NASA würden zwar diese Lösung bevorzugen, doch letztlich liegt die Angelegenheit in den Händen der Biden-Administration und vor allem von Kamala Harris, die als Vizepräsidentin auch Vorsitzende des Weltraumrats (National Space Council) ist.