Unverantwortliche Realitätsverweigerung der G7

Der G7-Gipfel in Hiroshima hat einmal mehr bestätigt, daß diese Gruppe von 7 „Industrienationen“ aller kämpferischen Rhetorik zum Trotz in der heutigen Welt immer mehr an Bedeutung verliert. Früher konnten sie noch ihr wirtschaftliches Gewicht in die Waagschale werfen, heute verkörpern sie nur noch 27% des BIP der Welt, und ein Großteil davon ist heiße Luft im Finanzwesen. Und obwohl sich ihre 7 Spitzen am Ort des ersten Atombombeneinsatzes versammelten, spielte die heutige Realität möglicher nuklearer Vernichtung in ihren Gesprächen offenbar keine Rolle. Der Umfang des Abschlußdokuments (65 Punkte auf 44 Seiten plus 6 lange „Referenzdokumente“) deutet nach Ansicht einiger scharfsinniger Beobachter darauf hin, daß unter den Teilnehmern keine große Einigkeit herrschte.

Erwartungsgemäß gelobten sie, die Ukraine so lange weiter zu unterstützen, bis Rußland besiegt ist. Nach monatelangem Zögern und auf Drängen des britischen Premiers Rishi Sunak und des niederländischen Regierungschefs Mark Rutte kündigte US-Präsident Biden die Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine an, allerdings wahrscheinlich erst in sechs Monaten oder einem Jahr – es sei denn, man schickt NATO-Piloten und -Wartungspersonal, um sie zu bedienen; in dem Punkt gibt es keinen Konsens unter den G7. Unterdessen veranstaltet die NATO ihre bisher größten Militärübungen in Europa (Defender 2023), und die Ukraine beschießt russisches Staatsgebiet.

Präsident Selenskyj hatte auf dem Gipfel einen durchinszenierten Auftritt, bei dem er dramatisch aus einem französischen Regierungsflugzeug ausstieg. Er forderte von den G7-Staaten, wie üblich, mehr Geld. Diese übernahmen in ihrer Ukraine-Erklärung im wesentlichen seine aus London diktierte Position, daß ein gerechter Frieden „den vollständigen und bedingungslosen Rückzug der russischen Truppen und militärischen Ausrüstung erfordert und jeder Friedensappell dies enthalten muß.“ Die G7 wissen, daß das niemals passieren wird, aber die Kriegsmaschinerie wird weiter gefüttert.

Andererseits gibt es eine Reihe von Initiativen für eine Lösung der Krise. Chinas Gesandter für eurasische Angelegenheiten, der hochrangige Diplomat Li Hui, kam letzte Woche in Kiew mit Regierungsvertretern zusammen und reist diese Woche nach Moskau. Auch der Vatikan hat eine neue Friedensmission unter der Leitung von Kardinal Matteo Zuppi eingerichtet, obwohl Selenskyj bei seinem Besuch in Rom am 13.5. die Initiative des Papstes öffentlich abgelehnt hatte (vgl. SAS 20/23). Eine Gruppe afrikanischer Staaten mit der Afrikanischen Union hat angeboten, in der Krise zu vermitteln (s.u.), während der brasilianische Präsident Lula da Silva mit anderen Staaten an der Gründung eines „Friedensclubs“ arbeitet (s.u.).

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