Schweizer Experte: Hilft Europa Kiew beim Spiel mit dem nuklearen Feuer?

Militärexperten werten die jüngsten Angriffe der Ukraine auf die russischen Luftwaffenstützpunkte bei Saratow und Rjasan als Eskalation zu einem „gefährlichen Moment der Unsicherheit“, bis hin zu einer möglichen strategischen nuklearen Konfrontation. In einem Artikel mit dem Titel „Spiel mit dem atomaren Feuer“, der am 3.1. auf der Schweizer Webseite GlobalBridge erschien, weist Oberstleutnant a.D. Ralph Bosshard von der Schweizer Armee darauf hin, daß es sich hier um die Friedensbasen für Rußlands strategische Zweitschlagbomber handelt.

Nach einem ersten Angriff am 5.12. griff die Ukraine am 26.12. den Flugplatz Engels bei Saratow an, wo strategische Bomber vom Typ Tupolev-95 und Tupolev-160 stationiert sind. Diese Bomber stehen für einen atomaren Zweitschlag gegen die USA bereit, bei dem sie über der Halbinsel Kola von Tankflugzeugen vom Luftwaffenstützpunkt Diaghilew bei Rjasan aufgetankt würden, der am 5. und 26.12. ebenfalls von Drohnenangriffen betroffen war.

Nach einem Überblick über diesen Einsatzplan der russischen Flugzeuge fragt Oberst Bosshard, welchen militärischen Zweck die Ukraine mit den wiederholten Angriffen auf den Stützpunkt Engels verfolgt. Die US-Regierung habe eine Beteiligung an den Angriffen stets abgestritten, doch Moskau werde dem kaum Glauben schenken. Rußlands Generalstab könnte davon ausgehen, daß „die Ukrainer im Auftrag der Amerikaner sogenanntes Probing betreiben, das heißt Tests der Verteidigungsbereitschaft des Luftwaffenstützpunkts, um Schwachpunkte der Abwehr zu erkennen, die man bei Bedarf ausnutzen kann. Eine andere Interpretation wäre, daß die Angriffe einen Probelauf zu einem Erstschlag mit Kernwaffen darstellen… Sicherlich arbeiten die Russen jetzt an Gegenmaßnahmen. Solche könnten Dezentralisation und Verlegung der Bomber auf andere Flugplätze beinhalten, gepaart mit der Installation von Attrappen in Engels… Bereits sei eine Gruppe aus sechs Tupolev95-Bombern und Iliushin-78-Tankern von Saratov nach Seryshewo verlegt worden, vermeldeten russische Quellen. Es würde nicht erstaunen, wenn die Russen nächstens eine Rückverlegungsübung durchführten, um zu demonstrieren, daß die Bomber innerhalb von Stunden wieder an der NATO-Ostgrenze erscheinen können.“

Für die Propaganda, so Oberst Bosshard weiter, stützten die Angriffe das Narrativ, „die Ukraine beschütze Westeuropa vor einer russischen Invasion. Die Ereignisse der letzten Monate aber haben gezeigt, daß die Ukraine nicht in der Lage ist, Europa vor einem russischen Atomschlag zu schützen – und die Europäer sich selbst auch nicht. Insofern könnte das US-Dementi den Tatsachen entsprechen: Nicht die USA, sondern ein europäisches Land unterstützte die Ukrainer bei ihren Angriffen. Es sind ja primär die Europäer, die ein Interesse an Angriffen auf die russischen Fernflieger in Saratov und Ryazan haben müssen.“

Der Schweizer Experte stellt abschließend fest, es diene der Transparenz, Bomber offen auf friedensmäßigen Standorten zu stationieren. „Wenn diese Transparenz als Folge der jüngsten Angriffe entfällt, dann ist das kein Gewinn für die Sicherheit Europas, sondern schafft nur Ungewißheit, die man nicht schätzt, wenn Kernwaffen im Spiel sind. In einer Zeit, in welcher nicht zuletzt mit dem Zutun des Westens Maßnahmen der Rüstungskontrolle und der Transparenz ausgehöhlt wurden, kann das gefährlich für ganz Europa werden. In Brüssel, Washington und London muß man sich überlegen, wie weit man den Krieg eskalieren lassen will.“

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