Schiller-Institut und Russischer Rat für Internationale Angelegenheiten befassen sich mit der humanitären Krise in Afghanistan

Ein gemeinsames Seminar des Schiller-Instituts (SI) und des Russischen Rates für Internationale Angelegenheiten (RIAC) am 10.2. befaßte sich mit der Frage, wie die humanitäre Krise, die das Leben von mehr als 23 Millionen Menschen in Afghanistan bedroht, überwunden werden kann. Die beiden Eröffnungsstatements des RIAC-Generaldirektors Dr. Andrej Kortunow und der SI-Gründerin und Vorsitzenden Helga Zepp-LaRouche leiteten eine leidenschaftliche und umfassende Diskussion ein. Sie endete mit einem Konsens, daß es keine Alternative zur Koordinierung mit Ländern der Region und Zusammenarbeit zwischen den Großmächten gibt – auch wenn Pessimismus geäußert wurde, ob dies möglich ist.

Kortunow wies darauf hin, daß es für die Taliban-Regierung schwierig sei, sich an westliche Standards anzupassen, da sie dann von radikaleren Gruppen bedroht werde. Die Afghanen hätten ein gewisses Maß an Widerstandskraft bewiesen, um zu überleben, auch wenn die internationale Gemeinschaft keine Einigung über eine Verhandlungsplattform mit den Taliban erzielte.

Zepp-LaRouche schilderte die schrecklichen Umstände vor Ort und das tragische Versagen der Welt, dagegen vorzugehen. Alles deute darauf hin, daß Millionen Menschen nicht überleben werden, wenn nicht sofort gehandelt wird. Sie fragte, ob die Untätigkeit auf die Absicht zurückzuführen sei, „die Fähigkeit der Taliban zu sabotieren, einen funktionierenden Staat zu erhalten?“ Sie stellte ihre programmatische Lösung „Operation Ibn Sina“ vor: 1. internationale Zusammenarbeit beim Aufbau eines modernen Gesundheitssystems und der Bereitstellung von Nahrungsmitteln und 2. eine militärisch-strategische Dimension, ausgehend davon, wie die Zusammenarbeit zwischen Rußland, China, Indien und den USA bei der Bewältigung dieser Krise Vertrauen für die Lösung anderer Konflikte schaffen kann.

Zu den Diskussionsteilnehmern gehörten zwei US-Amerikaner: Jim Jatras, langjähriger Diplomat und Analyst, und Graham Fuller, der 25 Jahre lang bei der CIA tätig war und umfangreiche Erfahrung in zentralasiatischen und nahöstlichen Angelegenheiten sammelte. Beide äußerten sich besorgt über die Haltung hinter der US-Politik. Jatras sagte, die US-Regierung setze das „Große Spiel“ aus dem 19. Jahrhundert fort, und in ihrem Handeln sei kein guter Wille erkennbar. Fuller unterstützte Zepp-LaRouches Ansatz, für eine „aufgeklärtere Sicht der internationalen Beziehungen“ zu kämpfen. Es sei aber unwahrscheinlich, dies durchzusetzen, da die USA derzeit ein „psychologisches Trauma“ durchmachten, weil sie nicht akzeptieren wollten, daß sie anderen Ländern nicht länger diktieren können, was sie tun müssen.

Aus Rußland berichtete Temur Umarow, Fellow am Carnegie Moscow Center, über einige der Komplikationen, die eine Lösung erschweren. Rußland und China hätten keine andere Wahl, als zu helfen, weil sie den Schaden, der von Afghanistan ausgehen kann, begrenzen wollen; kleinere Nationen in der Region müßten dabei eine führende Rolle übernehmen. Iwan Safrantschuk, Direktor für Eurasische Studien an der Moskauer MGIMO-Universität, war in Bezug auf die Suche nach Lösungen pessimistisch, er ist überzeugt, daß die westlichen Länder Afghanistan einfach aufgeben wollen.

Der vollständige zweistündige Dialog (Englisch) kann angesehen werden unter: https://schillerinstitute.com/blog/2022/02/10/seminar

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