Prof. Boyle: Südafrika sollte seine Genozid-Klage gegen Israel gewinnen

Ein besonderer Gast beim virtuellen Treffen der Internationalen Friedenskoalition (IPC) am 19.1. war der US-Menschenrechtsanwalt Francis Boyle, Professor für Völkerrecht an der Universität Illinois, der über Südafrikas Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag sprach (vgl. SAS, 2,3/24). Prof. Boyle hatte 1993 als Anwalt für Bosnien und Herzegowina die Klage des Landes gegen Jugoslawien auf Unterlassung aller Völkermordhandlungen gewonnen. Wie er erläuterte, „war ich der erste Anwalt, der jemals vor dem Internationalen Gerichtshof auf der Grundlage der Völkermordkonvention Recht bekam“.

Was den heutigen Fall des Völkermords im Gazastreifen betrifft, sei er überzeugt, daß „Südafrika im Namen der Palästinenser eine einstweilige Schutzverfügung gegen Israel erwirken wird“. Das gelte allerdings nur in rechtlicher Hinsicht. „Aber auf politischer Ebene wird massiver Druck ausgeübt. Ich bin sicher, daß die Richter des Weltgerichtshofs heute von den Vereinigten Staaten und Israel und ihren Unterstützern erpreßt, bedroht und eingeschüchtert werden, damit sie gegen die Republik Südafrika entscheiden.“

Auch die Regierung Biden und die Briten könnten nach Artikel 3 der Völkermordkonvention wegen Beihilfe angeklagt werden. Alles in allem ist Boyle überzeugt, daß die Klage Südafrikas wohlbegründet ist und, wenn sie Erfolg hat, enorme Auswirkungen auf die ganze Welt haben wird.

In der Diskussion kam zur Sprache, daß einer von Israels Anwälten, Malcolm Shaw, das Verfahren aus formalen Gründen für ungültig erklären lassen will, weil es nämlich keinen „Streit“ zwischen den beiden Parteien gab, der das Eingreifen einer dritten Partei erfordert. Boyle wies dieses Argument mit Verweis auf die Präzedenzfälle, die er in Den Haag gewonnen hatte, zurück.

Bemerkenswert ist auch, daß Boyle einen anderen Anwalt Israels, Christopher Staker, beschuldigte, über den von Boyle im September 1993 erwirkten Beschluß „nach Strich und Faden zu lügen“. Staker behauptete, der IGH habe eine zusätzliche Empfehlung für rechtliche Schritte abgelehnt, in der Jugoslawien aufgefordert wurde, den Völkermord an den Bosniern „zu unterlassen“. Tatsächlich hatte der IGH die zusätzliche Unterlassungsverfügung aber nur deshalb abgelehnt, weil es sich um eine Wiederholung des Urteils vom April 93 handelte, in dem Jugoslawien bereits aufgefordert wurde, den Völkermord zu unterlassen – und daher eine zweite Entscheidung für unnötig erachtet wurde. Stattdessen forderte das Gericht die „sofortige und wirksame Umsetzung“ der früheren Maßnahmen.

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