Orbán bleibt, Brüssel zum Trotz, bei seiner Friedensinitiative
In seiner Diskussion beim Ambrosetti-Forum im norditalienischen Cernobbio am 6.9. erklärte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, er setze seine Friedensbemühungen fort, allerdings nicht mehr öffentlich, so wie bei seinen Überraschungsbesuchen in Kiew, Moskau, Beijing und Washington im Juli (vgl. SAS 28-31/24). Er habe seinen EU-Kollegen innerhalb von 12 Stunden nach jedem Treffen Berichte gesandt, aber irgendwann seien diese durchgesickert und veröffentlicht worden, was auf Sabotage schließen lasse. Und: „Da die EU so ist, wie sie ist, haben sie es nicht ernst genommen und nicht gehandelt.“
Zum Inhalt seiner Friedensinitiative sagte Orbán, nach seiner Erfahrung in den Balkankriegen und im Georgienkrieg „ist erste Lektion, daß es keine Chance gibt, einen Krieg zu beenden, wenn es keine Kommunikation gibt“. Erst komme die Kommunikation, dann ein Waffenstillstand und „dann die Aufnahme von Verhandlungen über einen Friedensplan“. Wenn man auf einen Friedensplan warte, bevor man einen Waffenstillstand umsetzt, „wird es niemals Frieden geben“.
Orbán sagte, bei den ersten Treffen hätten weder die ukrainische noch die russische Seite die Absicht gezeigt, Frieden zu schließen, weil beide Präsidenten dachten, die Zeit arbeite für sie. Daher sei er anschließend nach Beijing, Washington und Mar-a-Lago (zu Donald Trump) gereist. „Ich denke, wir sollten einen internationalen Kontext und ein Umfeld schaffen, das überzeugend zum Ausdruck bringt, daß die ganze Welt – nicht nur der Süden, sondern die ganze Welt, sogar Europa – so schnell wie möglich einen Waffenstillstand haben möchte.“
Orbán nutzte die Gelegenheit, verschiedene Aspekte der EU-Politik anzuprangern. Er forderte ein Überdenken des Green Deal, denn „bis jetzt wurde der Green Deal gegen die Wirtschaft betrieben“. Er erklärte auch, warum er gegen eine politische Union ist: „In Sachen Krieg, Gender, Migration und Arbeitsgesellschaft haben wir unterschiedliche Ansätze. Wer uns zwingt, in Fragen zusammenzukommen, in denen wir nicht einer Meinung sind, der zersetzt die Europäische Union.“ U.a. schlägt er in der Migrationsfrage „Ausstiegsoptionen“ für Länder vor, die nicht Teil der gemeinsamen Politik sein wollen.
Zu seiner Unterstützung für Trump erklärte er: „Nach meinem Verständnis ist unsere Antwort auf den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit Europas die Bildung von Wirtschaftsblöcken, und wir haben einen politischen Ausdruck dafür: Demokratie gegen Autokratie. Präsident Trumps Ansatz war anders: Es war ein Plan für ,Deals‘, statt die Welt in einen westlichen und einen östlichen Wirtschaftsblock aufzuteilen. Das bedeutet nicht, daß es unter einer Präsidentschaft Trumps keine Interessensunterschiede mit Europa geben wird, aber ein Ansatz für Deals ist viel besser.“
Das jährliche Ambrosetti-Forum ist eine Art italienisches „Mini-Davos“ des politischen, akademischen und wirtschaftlichen Establishments, das die politische Saison nach dem Sommer einläutet. Zu den regelmäßigen Rednern gehören der Ministerpräsident und/oder der Staatspräsident. Dieses Jahr waren Viktor Orbán, die Königin von Jordanien und Wolodymyr Selenskyj zu Gast.