Nord Stream-Explosionen: Schweizer Experte Bosshard blickt über den Tellerrand

Oberstleutnant a.D. Ralph Bosshard von der Schweizer Armee verfaßte exklusiv für EIR einen Artikel mit dem Titel „Sabotage an den Nord Stream Gaspipelines: Für einmal reicht die Frage des ,Cui bono?‘ nicht“. Aus fachlich-militärischer Sicht durchforstet er alle unbegründeten Spekulationen darüber, wer die Pipelines sabotiert hat, und kommt zu dem Schluß, daß es nicht die Russen gewesen sein können.

Oberstleutnant Bosshard, der jahrelang als OSZE-Offizier diente, beschreibt zunächst die robuste Konstruktion dieser Pipelines: Sie bestehen aus einem sehr speziellen Stahl, um jahrzehntelang hohem Druck standzuhalten, und sind von einem Betonmantel umhüllt unter dem Meeresboden unter einer Schuttschicht vergraben. Ihre Sprengung wäre eine hochkomplexe Operation. Die Rohre freizulegen, den Zement zu durchdringen und sie dann zu sprengen, würde je nach Qualität Dutzende oder sogar Hunderte Kilo Sprengstoff erfordern. Die Wassertiefe von 70-90 m würde die Fähigkeiten von „Sporttauchern“ übersteigen und hochprofessionelle Taucher sowie Spezialausrüstung wie Dekompressionskammern erfordern. U-Boote verfügen zwar über solche Ausrüstung, seien aber in dieser relativ geringen Tiefe eher auszuschließen, man bräuchte daher Überwasserschiffe, die sich viele Stunden, wenn nicht Tage in dem Gebiet aufhalten müßten.

In Anbetracht der Nähe der Pipelines zu den dänischen und schwedischen Hoheitsgewässern und der Tatsache, daß dieses Gebiet von Aufklärungsschiffen und -flugzeugen der NATO gegen U-Boote stark überwacht wird, stellt Oberstleutnant Bosshard zum Abschluß seines Artikels eine ganz andere Frage als die übliche nach den Nutznießern:

„Wem fällt es leichter, einen solchen Sabotageakt auszuführen? Wenn es die russische Marine gewesen sein sollte, die eine umfangreiche Sabotageoperation, mitten in einem Seegebiet, das umgeben ist von NATO-Staaten bzw. Beitrittskandidaten, 300 km von der nächstgelegenen eigenen Flottenbasis entfernt, ausführte, dann hätten die Russen die NATO regelrecht vorgeführt. Das wäre dann eine eindrückliche Demonstration russischer Fähigkeiten zur Seabed Warfare gewesen. Die bloße Zerstörung der Nord Stream 1 und 2 – ohne Demonstrationseffekt – hätten die Russen viel einfacher quasi vor ihrer Haustüre im Finnischen Meerbusen realisieren können.

Viel einfacher hatte es im Gegensatz dazu die NATO: Erst im Juni führte die 6. US-Flotte zusammen mit ihren NATO-Partnern just vor Bornholm Übungen durch, in denen auch unbemannte Unterwasserfahrzeuge getestet wurden. Die Übung ,BALTOPS 22‘ hätte als Probelauf oder auch als Tarnkulisse für die Installation von Sprengkörpern an den Erdgaspipelines genutzt werden können. Natürlich gibt es derzeit keine Beweise für die Urheberschaft der einen oder der anderen Seite, und eine wirklich unabhängige Untersuchung wird wohl nie stattfinden. Dem unvoreingenommenen Beobachter stellt sich aber eine Frage: Ruft da ein Dieb ,haltet den Dieb‘?“

Der vollständige Artikel mit Karten und Grafiken ist auf der Website des Schiller-Instituts verfügbar.

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