Niederländische Landwirte wütend über Zwangsstillegung von 30% der Höfe

Die Demonstrationen der Landwirte in den Niederlanden haben sich inzwischen auf andere produktive Schichten der Gesellschaft ausgeweitet und sind zu einem allgemeinen Protest gegen die Regierung geworden. Am 4.7. schlossen sich die Fischer an und blockierten mehrere Häfen (außer Rotterdam), während die Landwirte die Verteilungszentren der großen Einzelhandelsmärkte blockierten. Wie eine der Anführerinnen der Bewegung, Sieta van Keimpema, in einer Videobotschaft an ihre deutschen Kollegen  erklärte, die am 2.7. auf dem Parteitag der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Frankfurt gezeigt wurde, unterstützt die Bevölkerung die Aktion trotz der in einigen Fällen damit verbundenen Lebensmittelknappheit.

Ausgelöst wurde der Protest durch ein Schreiben der Ministerin für Natur und Stickstoff Christianne Van der Wal, in dem sie die Absicht der Regierung ankündigte, 30% der landwirtschaftlichen Betriebe stillzulegen, um die Stickstoffemissionen zu reduzieren. Dem Schreiben war eine Karte beigefügt, auf der die Niederlande in verschiedene farbige Bereiche eingeteilt sind, die angeben, um wieviel die Emissionen reduziert werden müssen – von 12% bis 95%. Die Regierung bietet an, die stillzulegenden Bauernhöfe, von denen viele seit Jahrhunderten bestehen, aufzukaufen, und theoretisch könnten die Landwirte an anderer Stelle einen neuen Betrieb gründen, was aber faktisch nicht möglich ist, erklärte Frau Keimpema. Die Niederlande haben rund 53.000 landwirtschaftliche Betriebe und gehören zu den größten Exporteuren von Lebensmitteln, die sich 2021 auf 105 Mrd.€ beliefen.

Nach den ersten Massendemonstrationen, an denen 60.000 Landwirte mit 20.000 Traktoren teilnahmen, wurden Vorschläge zur Änderung der Rechtsvorschriften gemacht, die jedoch sowohl von der Regierung als auch vom Parlament abgelehnt wurden. Daher beschlossen die Landwirte, ihren Protest fortzusetzen und Bündnisse in anderen gesellschaftlichen Schichten zu suchen. Ursprünglich richtete sich der Protest gegen das Stickstoffgesetz, jetzt richtet er sich gegen die Regierung, deren Rückhalt in den Meinungsumfragen unter 15% liegt.

In der Tat ist die Situation überall in Europa explosiv, wo die Existenz der produktiven Schichten der Gesellschaft durch Hyperinflation und sogenannte „grüne“ Maßnahmen bedroht ist.

Die Besonderheit des niederländischen Protests besteht darin, daß er in einem wichtigen Zentrum der oligarchischen Macht in Europa stattfindet. Genauer gesagt ist eine der Hauptursachen für die Hyperinflation der Energiepreise der TTF-Gas-Terminmarkt in Amsterdam. Der TTF wurde als Teil des EU-Energiemarktes nach dem Vorbild des britischen National Balancing Point eingerichtet. Er hat nach und nach langfristige bilaterale Verträge zwischen den Ländern ersetzt und ermöglicht es nicht nur Rohstoffhändlern, sondern auch Finanzhändlern, den Preis von Terminkontrakten auf Erdgas zu bestimmen. Hedgefonds, die an der TTF-Börse wetten, haben eine künstliche Gasverknappung herbeigeführt und die Preise auf ein unhaltbares Niveau getrieben, und zwar lange vor dem Krieg in der Ukraine. Die von der TTF erwirtschafteten Finanzgewinne sind nun ein fester Bestandteil des globalen Finanzkasinos. Um erfolgreich zu sein, muß die Protestbewegung dieses und andere Elemente des Systems ins Visier nehmen und einen regulierten Schutz für Erzeuger und Haushalte nach Art des „Neuen Bretton Woods“ fordern.

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