Michel Barnier, ein Spiegelbild Macrons
Acht Wochen nach der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen ernannte Präsident Macron am 5.9. Michel Barnier zu seinem Premierminister. Barnier von der Partei „Les Républicains“ ist seit 1973 in der lokalen, nationalen und europäischen Politik tätig. Er war Außenminister unter Jacques Chirac und zweimal EU-Kommissar, bevor er zum Leiter des Teams ernannt wurde, das für die EU den Brexit aushandelte.
Barnier ist ein EU-Europäer und Liberaler, der mit Macrons Politik übereinstimmt und in den kommenden Verhandlungen mit der EU-Kommission nützlich sein könnte, um eine Lösung für das französische Defizitverfahren zu finden.
Jacques Cheminade, Präsident von Solidarité & Progrès, äußerte sich in verschiedenen Stellungnahmen ausführlich zu Barniers politischer Ausrichtung:
„Barnier ist ein unscheinbarer, humorloser Mann, der die Salons der Macht dem Willen des Volkes vorzieht. Er war beteiligt am Verrat der Abstimmung über die Europäische Verfassung vom 29. Mai 2005. Er warb für das Ja, und als das Nein siegte, setzten er und andere aus der Amato-Gruppe den Lissaboner Vertrag in Kraft, der mit kleinen Änderungen das wesentliche des europäischen Verfassungsvertrags übernahm und den Willen des französischen Volkes verriet.
Barnier ist gefährlich, weil wir uns in einem historischen Moment befinden, in dem Europa sich der atlantischen Politik, der NATO-Politik, gebeugt hat und der Frieden in der Welt bedroht ist. Hinter seinem Auftreten als Weltmann ist er gefährlich, weil er diese Treue zum NATO-System und zum Europa der Europäischen Union verkörpert. Barnier hofft auch auf die Unterstützung des Rassemblement National (RN), weil er sehr hart gegen die Einwanderung vorgeht und den Wunsch des RN zu teilen scheint, ein Element des Verhältniswahlrechts in das französische Mehrheitswahlrecht einzuführen.“
In der Tat entschied der rechte RN „überraschend“, nicht gegen Barniers Nominierung zu stimmen, obwohl er die Kandidatur hätte blockieren können. Es heißt, Macron habe zunächst Marine Le Pen von der RN angerufen, um ihre Position zu erfahren – obwohl sie das bestreitet. Le Pen stellte klar, daß sie Barnier unter der Bedingung unterstützen würde, daß er den Willen der Wähler ihrer Partei ebenso respektiert wie den der anderen. Sie ist überzeugt, daß Barnier diese Bedingung erfüllen wird, warnte aber: „Wir werden ihm keinen Blankoscheck ausstellen. Sollten im Laufe der Wochen die Franzosen erneut vergessen oder schlecht behandelt werden, werden wir nicht zögern, der Regierung das Mißtrauen auszusprechen.“ Somit hält ausgerechnet Le Pen das Damoklesschwert über der Regierung von Macron und seinem neuen Premierminister.
Die neue Regierung wird auch von der Linken unter Druck stehen. Seit dem 7.9. demonstrieren linke Organisationen und Parteien gegen Macron und seinen „Kraftakt“, einen Konservativen zum Regierungschef zu ernennen. Bis zu 300.000 Franzosen haben sich nach Angaben der Organisatoren an den Protestaktionen beteiligt.