Katargate: Bestechung bei der Fußball-WM ist Teil eines größeren Spiels

Bislang konzentrierte sich der „Katargate-Skandal“ auf Bestechungsgelder an Mitglieder des Europäischen Parlaments im Gegenzug dafür, daß sie die Menschenrechtslage in Katar, insbesondere bei Arbeitnehmerrechten, reinwaschen. Das Ziel war nicht nur ein reibungsloser Ablauf der Fußball-Weltmeisterschaft, sondern auch der Aufbau einer langfristigen Beziehung zur EU. Einigen Fragen wird dabei jedoch ausgewichen. Erstens wird die EU-Politik nicht vom Parlament, sondern von der Europäischen Kommission bestimmt. Somit stellt sich die Frage, ob auch Mitglieder der Kommission Schmiergelder erhielten.

Zwar wird gegen keinen Kommissar offiziell ermittelt, doch man wundert sich über Josep Borrell, den Vizepräsidenten der Kommission und Chef der EU-Außenpolitik, der erst letzten Monat dem Europaparlament einen glänzenden Bericht über die verbesserte Menschenrechtsbilanz Katars vorgelegt hat. Ein anderer Fall ist der Grieche Margaritis Schinas, Kommissions-Vizepräsident und Kommissar für die Förderung der europäischen Lebensart, der kürzlich Katars „greifbare Fortschritte bei den Arbeitsreformen“ lobte, nachdem er am 20.11. nach Doha gereist war, und jetzt behauptet, er habe damit nur die Haltung der Kommission zum Ausdruck gebracht.

Zweitens stellt sich die Frage, warum Katar überhaupt als Austragungsort für die Weltmeisterschaft ausgewählt wurde, und das bringt uns zur Rolle des früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Im November erklärte der ehemalige Präsident des Internationalen Fußballverbands (FIFA), Joseph „Sepp“ Blatter, gegenüber Schweizer Medien, die Wahl Katars sei ein Fehler gewesen und er habe damals für die USA gestimmt. Zustande gekommen sei die Entscheidung durch die Intervention Sarkozys bei einem Elysée-Treffen 2010 mit dem damaligen FIFA-Funktionär Michel Platini und dem Chef des europäischen Fußballverbands sowie dem damaligen katarischen Kronprinzen (jetzt Emir), Scheich Tamim bin Hamad Al Thani. Platini bestätigte das Treffen und erklärte, Sarkozy habe ihm zwar nicht direkt gesagt, er solle für Katar stimmen, aber gesagt, es „wäre gut“, wenn er es täte.

Warum wurde Katar ausgewählt, das nicht nur das kleinste Land ist, das jemals WM-Gastgeber war, sondern auch schlechteste Wetterbedingungen hat und kein bevorzugtes Reiseziel ist? Der offensichtliche Hintergrund ist das Gas. Europas Abhängigkeit von russischem Gas begann vor mehr als 10 Jahren, während Katar über das größte Gasfeld der Welt verfügt und der weltweit größte Exporteur von Flüssiggas ist.

Am 28. Januar 2022 traf sich Kommissionspräsidentin von der Leyen mit US-Präsident Biden im Weißen Haus, um über den Ersatz der russischen Gaslieferungen zu sprechen. Sie unterzeichneten ein langfristiges Abkommen, nach dem die USA die Gasversorgung Europas sicherstellen sollen, wobei auch Katar als Bezugsquelle ins Gespräch gebracht wurde. Drei Tage später traf Biden sich mit dem Emir von Katar, Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani. Auf der Tagesordnung standen nach Angaben des Weißen Hauses u.a. „regionale und globale Herausforderungen und die Vertiefung der Verteidigungs- und Sicherheitskooperation als wichtiger Nicht-NATO-Verbündeter“.

Sie sprachen auch über die Fußball-WM und über Arbeitsreformen in Katar, doch Biden lobte den Scheich in höchsten Tönen: „Unsere Partnerschaft mit Katar ist von zentraler Bedeutung für viele unserer lebenswichtigen Interessen“, einschließlich der „Sicherung der Stabilität der weltweiten Energieversorgung“. Er gab bekannt, daß Katar zu einem wichtigen Verbündeten erklärt wurde.

Unmittelbar vor dem Treffen hatte Katar mit Boeing einen Vertrag im Wert von 20 Mrd.$ über den Kauf von 34 Frachtflugzeugen des Typs Boeing 777 durch Qatar Airways geschlossen. In Katar befindet sich übrigens das US-Zentralkommando und ein großer US-Luftwaffenstützpunkt.

Bei dem Bestechungsskandal in der EU geht es offenbar um 1,5 Mio.$, aber das ist Kleingeld im Vergleich zu dem 20-Milliarden-Vertrag mit Boeing. Die Frage ist, ob alles ans Licht kommt oder ob man auf der Ebene der kleineren Gaunereien stehen bleibt.

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