Höchste Zeit, die De-Industrialisierung Deutschlands rückgängig zu machen!

Die jüngste Einschätzung des IWF, wonach Deutschland 2023 mit einem BIP-Wachstum von minus 0,3% das Schlußlicht unter den Industrieländern bilden wird, ist nur ein spektakulärer Indikator dafür, daß das Land in einer zunehmenden Depression steckt. „Die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert sich“, erklärt das Münchener Ifo-Institut vom Sachverständigenrat der Regierung, weil die Unternehmen immer weniger Neuaufträge erhalten. Vor allem Stahlerzeugung, Automobilbau, Chemie und Bau sind vom Abwärtstrend betroffen: Rohstahl im ersten Halbjahr 2023 -5,3% und Walzstahl -5,7% gegenüber dem Vorjahr. Und der Abschwung beschleunigt sich: Allein im Juni sank die Rohstahlproduktion um 8,4% gegenüber dem Vorjahresmonat.

Das Handelsblatt berichtet, daß die vier großen Automobilbauer VW, Audi, BMW und Mercedes von Januar bis Mai zusammen rund eine halbe Million Autos weniger produziert haben als im gleichen Zeitraum 2019, ein Rückgang um rund 20%. Die Auftragseingänge liegen bis zu 50% unter dem Vorjahresniveau. Die Lage spitzt sich so dramatisch zu, daß VW-Markenchef Thomas Schäfer kürzlich in einem internen Videochat sagte: „Die Zukunft der Marke VW steht auf dem Spiel.“ Und da die Automobilbauer ein Kernbereich der deutschen Industrie sind, ist diese insgesamt von dem Rückgang betroffen. Alles in allem liegt die Industrieproduktion in Deutschland 30% unter dem Niveau vor dem Beginn der großen Krise 2008.

Schuld an dieser katastrophalen Entwicklung ist vor allem die fanatische Regierungspolitik der „Dekarbonisierung“ und „Energiewende“, mit dem Ausstieg aus Atomkraft, Kohle und Erdgas zugunsten von Solar- und Windenergie. Der Trend zeichnet sich bereits seit 10-20 Jahren ab, hat sich aber mit den Rußland-Sanktionen und dem Verzicht auf russisches Gas beschleunigt. Für die deutsche Industrie, die schon vor dem Ukraine-Krieg die höchsten Strompreise unter allen Industrienationen hatte, wird Strom deshalb unbezahlbar. „Die Stahlindustrie in Deutschland steht unter Druck – und das liegt vor allem an den immer noch zu hohen Stromkosten in Deutschland“, sagt Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Geringere Investitionen senken zwar die Betriebskosten, was die hohen Energiekosten zum gewissen Grad kompensiert, aber wie Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), betont, wächst bei den Unternehmen der Verschleiß, indem sie zwar Geld in die Instandhaltung bestehender Anlagen stecken, aber kaum neu investieren. Diese Geschäftsstrategie kippt, sobald die eingesparten Investitionskosten die höheren Energiekosten nicht mehr ausgleichen können – und an diesem Punkt sind viele Industriezweige angelangt. „Die Deindustrialisierung in Deutschland nimmt schleichend Fahrt auf“, warnt BMW-Chef Oliver Zipze. Die Insolvenzen im Mittelstand liegen 16% über dem Vorjahresniveau – ein deutliches Indiz dafür, daß die Abwärtsspirale nicht langsam, sondern eher dramatisch verläuft.

Die Abwärtsspirale ähnelt in Ausmaß und Tempo dem berüchtigten Morgenthau-Plan der Anglo-Amerikaner für die Deindustrialisierung Deutschlands nach dem Krieg. Dieser wurde glücklicherweise 1947 durch den Marshall-Plan abgelöst, der ein Umfeld schuf, in dem Deutschland von 1948-60 das Wirtschaftswunder schaffen konnte.

Interessanterweise warnt Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einem Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7.8., Deutschland falle in diese dunkle unmittelbare Nachkriegszeit zurück: Mit dem Verlust zentraler industrieller Wertschöpfungsketten in der Industrie „in der Folge einer mißlungenen und zu schnell vorangetriebenen Elektrifizierung im Namen der ,grünen Transformation‘ und einer Zunahme der Arbeitslosigkeit… droht ein perfekter Sturm…, der auch der im europäischen Vergleich sehr stabilen deutschen Demokratie mehr abverlangen könnte, als es in den letzten annähernd 80 Jahren der Fall war“.

Aber auch Gabriel bietet keine Politik an, um diese Deindustrialisierungsspirale umzukehren, und die meisten von den CEOs geforderten Korrekturen (Steuererleichterungen, Subventionen etc.) würden die Perspektive nicht verbessern, weil sie in den Zwängen des alten monetaristischen Paradigmas bleiben, das dem Untergang geweiht ist. Eine Zukunftsperspektive hat die deutsche Industrie nur in Zusammenarbeit mit dem pro-industriellen Neuen Paradigma, das durch Chinas Neue Seidenstraße, die BRICS und andere neue Institutionen des Globalen Südens entsteht.

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