Hochrangige Israelis räumen ein: Hamas kann nicht besiegt werden
Der Leiter des UN-Palästinahilfswerks (UNRWA), Philippe Lazzarini, gab einen aktuellen Überblick über die katastrophale Lage im Gazastreifen, insbesondere für die Kinder. Eine „ganze Generation“ könnte durch Hunger und Armut verlorengehen, warnte er letzte Woche in Genf. Der Gazastreifen sei für 2 Millionen Menschen eine „Hölle auf Erden“, Kinder sterben an Unterernährung und Dehydrierung, während Israel die Lieferung von Lebensmitteln und Wasser in Lastwagen blockiere.
Trotz der verzweifelten Bitten um einen Waffenstillstand und der wachsenden Opposition in Israel selbst besteht Ministerpräsident Netanjahu darauf, den Krieg fortzusetzen, bis die Hamas vollständig beseitigt ist. Nicht einmal sein Nationaler Sicherheitsberater, Zachi Ha-Negbi, hält das für realistisch, wie er am 24.6. erklärte: „Man kann die Hamas nicht vollständig zum Verschwinden bringen, denn sie ist eine Idee, ein Konzept. Man braucht also ein konkurrierendes, alternatives Konzept, und nicht nur die Zerstörung ihrer militärischen Fähigkeiten.“ Man solle eine „lokale Führung schaffen, die bereit ist, Seite an Seite mit Israel zu leben“.
Das Militär ist ähnlicher Ansicht, sein Sprecher Daniel Hagari hatte sich fünf Tage zuvor ebenso offen geäußert. „Die Hamas kann nicht zerstört werden. Die Hamas ist eine Idee“, sagte er dem israelischen Fernsehsender Channel 13., „wer glaubt, man könne sie zum Verschwinden bringen, der irrt.“ Wer das Gegenteil behaupte, führe die Öffentlichkeit in die Irre. Die New York Times zitierte am 1.7. andere Militärs, die einen Waffenstillstand mit der Hamas befürworten, um sich besser auf einen Krieg gegen die Hisbollah vorbereiten zu können.
Bezeichnend für die Revolte gegen Netanjahus gescheiterte Politik ist ein Gastbeitrag des ehemaligen Ministerpräsidenten Ehud Olmert (2006-09) in Haaretz vom 26.6. mit der Überschrift „Ich klage Netanjahu des Verrats an“. Nach dem Vorbild des berühmten „J’Accuse!“ von Emile Zola beginnt er: „Ich klage den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu an, den Krieg zwischen Israel und den palästinensischen Mörderorganisationen absichtlich in die Länge zu ziehen. Der Wunsch, die Kämpfe in die Länge zu ziehen, ohne ein Enddatum festzulegen, ist der Grund dafür, daß keine genauen Ziele für die Kampftruppen festgelegt wurden.“
Weitere Vorwürfe Olmerts gegen Netanjahu:
– die Absicht, mit einer totalen militärischen Konfrontation mit der Hisbollah den Krieg auszuweiten, statt eine Vereinbarung mit der libanesischen Regierung zu treffen;
– bewußte Maßnahmen, die zu verbreiteter Gewalt im Westjordanland führen, „in dem Wissen, daß dies die Ausweitung von Kriegsverbrechen an Palästinensern auslösen würde, die in keiner Weise am Terrorismus beteiligt sind“;
– die israelischen Geiseln, die immer noch von der Hamas festgehalten werden, absichtlich im Stich zu lassen.
Anzumerken ist, daß Olmert in keiner Weise ein Hamas-Befürworter oder Palästinenser-Apologet ist. Zu Netanjahus offiziellem Ziel eines totalen Sieges über die Hamas sagt er: „Das ist heute keine Option und war keine seit dem Tag, an dem der Premierminister sie zum ersten Mal vorgestellt hat.“ Netanjahu und seine Regierung wollten die Welt und die israelische Bevölkerung täuschen, indem sie ein solch unmögliches Ziel verkünden.