Gesucht: Ein Hjalmar Schacht für die EU

Die europäischen Eliten haben sich kopfüber in einen Schachtschen Wirtschaftsmodus gestürzt, haben sich aber noch nicht entschieden, wer ihr „Hjalmar Schacht“ sein wird: Ursula von der Leyen oder Mario Draghi? Auf ihrem Kongreß am 7.3. in Bukarest hat die Europäische Volkspartei (EVP) Ursula von der Leyen zu ihrer Kandidatin für eine zweite Amtszeit als Vorsitzende der Europäischen Kommission gemacht. Allerdings stimmte fast jeder fünfte Delegierte nicht für sie. Bald darauf regte sich in den nationalen Sektionen der EVP und deren Verbündeten im Europaparlament Widerstand gegen von der Leyens Kandidatur.

Sowohl EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton aus Frankreich als auch der deutsche Finanzminister Christian Lindner kritisierten die Wahl. In Italien sprach sich der konservativere Flügel der Forza Italia, die Teil der EVP ist, ebenfalls gegen die Wahl aus.

Breton, der als enger Vertrauter des französischen Präsidenten Macron gilt, erklärte: „Trotz ihrer Qualitäten ist Ursula von der Leyen von ihrer eigenen Partei in die Minderheit gedrängt worden. Die eigentliche Frage ist nun, ob es möglich ist, der EVP für weitere 5 Jahre, also 25 Jahre in Folge, die Verwaltung Europas anzuvertrauen. Die EVP selbst scheint nicht an ihre Kandidatur zu glauben.“

Lindner sagte dem Handelsblatt vom 6.3.: „Es ist das Erbe Ursula von der Leyens, daß wir Regulierung statt Innovation gewählt haben. Wir brauchen eine Kehrtwende. Die Politik von Frau von der Leyen gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren wirtschaftlichen Wohlstand.“

Die Vizepräsidentin des italienischen Senats, Licia Ronzulli von der Forza Italia, sagte: „Die EVP hat sich entschieden, den Namen von Ursula von der Leyen zu bestätigen. Vielleicht könnten sie mehr wagen und einen mutigeren Schritt tun.“

Aus Sicht der europäischen Eliten gibt es nicht viele Alternativen, oder besser gesagt im Moment nur eine: der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi. Seit Monaten gibt es eine konzertierte Aktion von oben, um für Draghi ein Image aufzubauen, das am besten zur Rolle eines neuen Hjalmar Schacht passen würde. Im September wurde er zum Leiter einer Task Force ernannt, die Lösungen für den Verlust der „Wettbewerbsfähigkeit“ der EU untersuchen und vorlegen sollte, was ihn in die einzigartige Lage versetzte, die künftige Wirtschaftspolitik zu diktieren.

Wie wir vor zwei Wochen berichteten, stellte Draghi dem EU-Rat und dem Europaparlament seine Rezepte vor. Die EU solle jährlich 500 Mrd.€ in die „grüne Wende“ investieren, zusätzlich zu einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben und „produktiven Investitionen“ (siehe SAS 9/24). Als Anschein einer demokratischen Entscheidung sollten die Regierungen selbst entscheiden, wie sie dies finanzieren wollen, mit steuerlichen Maßnahmen oder mit Eurobonds.

Es ist aber kein Geheimnis, daß Draghi Eurobonds bevorzugt, also gemeinsame europäische Schulden. Am Jahresanfang schlug Breton einen mit Eurobonds finanzierten 100-Milliarden-Euro-Fonds für Verteidigungsausgaben vor. Am 4.3. sagte er dazu den Medien: „Wir müssen das Paradigma ändern und in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln.“ Einige Regierungen sprächen das schon sehr deutlich an. „Es ist eine Idee, die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas vorgeschlagen wurde und die auch vom belgischen Ministerpräsidenten De Croo unterstützt wird.“

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