EZB und Federal Reserve: Die Blinden führen die Blinden

Es dauerte kein Jahr, bis die Federal Reserve im September 2019 die Liquiditätsdrosselung (Quantitative Straffung) beendete und wieder zum Liquiditätspumpen (Quantitative Lockerung) überging, weil das Kartenhaus einstürzte. Die Fed mußte den Tagesgeldmarkt (Repo-Markt) übernehmen. Doch da ließ sich die durch die Liquidität hervorgerufene Hyperinflation schon nicht mehr auf den Bereich der Finanzwerte beschränken, sie begann mit der Rohstoffspekulation auf die Realwirtschaft überzugreifen. Wie wir oft dokumentiert haben, wurde die derzeitige Verbraucherpreisinflation nicht durch den Aufschwung nach der COVID-Pandemie oder durch den Ukrainekrieg ausgelöst, sondern durch den Multiplikatoreffekt der Finanzderivate auf die negativen Folgen der verrückten „Klimaschutzpolitik“ des Westens. Deshalb wird die konventionelle Inflationsbekämpfung nicht funktionieren; nur eine Konkurssanierung des Systems kann eine Lösung bringen.

Die Rückkehr der Fed zu einer strafferen Geldpolitik liegt nun ein Jahr zurück, die der EZB etwa sechs Monate. Sie hat tiefe Risse in das bankrotte Finanzsystem gerissen. Man beachte die seltsame Reaktion der Märkte auf die jüngsten Schritte der Zentralbanken. Fed und EZB kündigten Zinserhöhungen um 25 bzw. 50 Basispunkte an, EZB-Präsidentin Christine Lagarde zudem eine weitere Anhebung um einen halben Punkt im März. Dennoch stiegen anschließend Aktien und Anleihen.

Die Financial Times meinte: „Die Anleger wetten darauf, daß die Zinssätze kurz vor dem Gipfelpunkt stehen.“ Doch das unterschätzt möglicherweise die Diskrepanz zwischen den aggressiven Äußerungen der Zentralbank und dem Verhalten der Anleger. Unter Finanzhändlern ist es eine verbreitete Weisheit, daß der große Crash früher als erwartet bevorsteht. Die Zentralbanken werden gezwungen sein, mehr als je zuvor auf Liquiditätsspritzen zurückzugreifen, um zu versuchen, das System zu retten.

In dieser Situation kann man das Beharren der EU auf ihrer Mischung aus „grüner“ Politik und Sanktionen nur als puren Irrsinn beschreiben. Durch den gesunkenen Verbrauch von Industrie und Haushalten und den bisher milden Winter sind die Erdgaspreise in Europa (TTF Future) unter 60€/MWh gefallen. Doch das ist immer noch das Doppelte des Durchschnittspreises 2021 und das Dreifache von 2019 und ist von Erzeugern, Haushalten und Wirtschaftsakteuren im allgemeinen nicht zu bewältigen. Außerdem weiß niemand, was am 20.2. passieren wird, wenn die Terminbörse ICE den alternativen Gasmarkt in London öffnet, um die EU-Preisobergrenze zu umgehen. Die Energiekrise ist also noch nicht vorbei und die Gefahr der Deindustrialisierung nicht gebannt.

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