Dilemma der Zentralbanken: wie ein Auto mit zwei Gaspedalen ohne Bremse

Auch wenn die EZB am 3.2. die Zinssätze unverändert ließ und Präsidentin Christine Lagarde zu beweisen versuchte, daß das Glas halbvoll sei, mit der Erklärung, die EZB werde keine „überstürzten Entscheidungen“ treffen – „die Märkte“ sehen das Glas als halbleer an und preisen schon vier Zinserhöhungen in diesem Jahr ein, indem sie Anleihen abstoßen.

So stieg die Rendite deutscher fünfjähriger Anleihen erstmals in den positiven Bereich; bei zehnjährigen war das schon zum Jahresbeginn der Fall. Die Anleiherenditen der „Peripherieländer“ steigen entsprechend, der Abstand zwischen deutschen und italienischen Anleihen beträgt nun 150 Basispunkte.

Mit anderen Worten: Die Märkte verteuern bereits das Geld und schaffen damit schwierige Bedingungen für die Refinanzierung von Unternehmens- und Staatsschulden weltweit. So werden in großem Umfang Kreditausfall-Swaps (CDS) auf US-Unternehmensanleihen gekauft, im Januar im Wert von 197 Mrd.$, gegenüber 123 Mrd.$ im Dezember. Nach Angaben des Derivathändlerverbands ISDA wurden soviel CDS – Versicherungen für Anleger gegen den Ausfall von Firmenanleihen -, zuletzt im März 2020 gehandelt, als alle Märkte in einer totalen Krise steckten und die US-Notenbank weltweit alle verfügbaren Dollar-Vermögenswerte aufkaufte, um einen Kollaps zu verhindern. Allerdings gibt es keine anderen Anzeichen für wahrscheinliche Ausfälle, auch nicht bei Ramschanleihen.

Sobald die Fed doch kleine Zinserhöhungen vornimmt, stehen tausend Megablasen vor dem Platzen, wie der Investor Jeremy Grantham warnte (vgl. SAS 5/22). Eine davon ist der US-Wohnungsmarkt, wo 2021 die Durchschnittsmieten um 14% und die Preise für neue und Bestandshäuser um 17-18% anstiegen. Dies wird eine Welle von Zahlungsausfällen auslösen, ähnlich der „Hypothekenschmelze“ 2007-08.

Die Fed weiß das, und deshalb gibt es noch keinerlei Anzeichen für den Ausstieg aus der Quantitativen Lockerung (QE), von dem in ihren Sitzungsberichten die Rede war, und noch weniger für „Quantitative Straffung“ und „Zinserhöhungen“, mit der die Fed sämtlichen Medienberichten zufolge die Inflation eindämmen will. Am 3.2. hielt die Fed offiziell 1,55 Bio. $ mehr an Staatsanleihen und Hypothekenpapieren (MBS) als vor einem Jahr. Das ist mehr, als wenn sie diese nur weiter für 120 Mrd. $ monatlich gekauft hätte – ganz zu schweigen von der Ankündigung vom 3.11., die Käufe im Dezember auf 90 Mrd. $ zu reduzieren. So flutet die Fed trotz steigender Inflation die Banken weiter mit Liquidität. In der Hoffnung, ein Erdbeben unter Kontrolle zu bringen, erzeugt sie einen Tsunami.

Print Friendly, PDF & Email