Die Woche, in der ein Atomkrieg abgewendet wurde

Am 15.11. drohte nach der Landung einer Rakete „russischer Bauart“ auf dem Gebiet des NATO-Mitglieds Polen einen quälend langen Moment ein direkter Krieg zwischen Rußland und der NATO. Einige Regierungsvertreter, darunter ein außer Rand und Band geratener Präsident Selenskyj, forderten das westliche Militärbündnis sofort auf, sich auf seine Klauseln zur kollektiven Sicherheit zu berufen. Glücklicherweise setzten sich die vernünftigeren Stimmen durch, darunter (was man ihm zugute halten muß) US-Präsident Biden, der gerade am G20-Treffen auf Bali teilnahm. Später wurde eingeräumt, daß der Vorfall „versehentlich“ durch eine von der Ukraine abgefeuerte Rakete verursacht worden war – was der NATO bekannt sein mußte, da sie den Himmel über der Ukraine genau überwacht.

Der Vorfall ereignete sich vor dem Hintergrund einer immer noch zaghaften, aber wachsenden Stimmungsänderung im Westen für ein Ende des Krieges, und sei es auch nur aus wirtschaftlichen Gründen – allerdings wurde er benutzt, um jede solche Änderung zu sabotieren. Daher sind weitere derartige Provokationen und/oder Zwischenfälle zu erwarten.

Diese wachsende Stimmung hatte US-Generalstabschef Gen. Mark Milley zum Ausdruck gebracht, als er am 9.11. andeutete, daß ein militärischer Sieg der Ukraine möglicherweise nicht erreichbar sei und man Verhandlungen in Betracht ziehen sollte (vgl. SAS 46/22). Trotz des Proteststurms, den diese Äußerungen auslösten, wiederholte er am 16.11., die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Sieges, „der darin besteht, die Russen aus der gesamten Ukraine zu vertreiben“, sei „nicht hoch“. Aber „es kann eine politische Lösung geben“, die einen Rückzug beinhaltet.

Aus London, das am stärksten auf Konfrontation mit Moskau drängt, kam die Antwort vom Economist, dem Sprachrohr der City, der Milley vorwarf, die Nerven zu verlieren, und weitaus größere Waffenlieferungen aus dem Westen und vor allem Europa forderte.

So ist es nicht verwunderlich, daß Kiew seinen Vize-Verteidigungsminister Wolodymyr Hawrylow am 19.11. nach London schickte, um Befehle entgegenzunehmen, und er bestand darauf, daß nur ein vollständiger militärischer Sieg akzeptabel sei. „In der ukrainischen Gesellschaft gibt es eine Entscheidung, daß wir bis zum Ende gehen, egal was passiert“, sagte er. Präsident Selenskyj betonte erneut, Verhandlungen seien unmöglich, solange sich Rußland nicht vollständig aus der gesamten Ukraine zurückgezogen hat und die Krim nicht zurückerobert wurde. Und als weiteres Zeichen für die Unnachgiebigkeit der Regierung wurde Andrij Melnyk gerade zum stellv. Außenminister befördert, nachdem er als Botschafter in Deutschland entlassen worden war, weil er Stepan Bandera, einen bekannten Kollaborateur Hitlers in der Ukraine, öffentlich gelobt und Banderas Rolle bei den Massenmorden an Russen, Juden und Polen im Zweiten Weltkrieg geleugnet hatte. Offenbar haben diese Politiker noch nicht begriffen, daß die Ukraine von der NATO als Werkzeug für einen Stellvertreterkrieg gegen Rußland mißbraucht wird – oder sie machen sich wissentlich mitschuldig.

Abschließend stellen wir fest, daß die Eskalation in Richtung nukleare Vernichtung zu einem Zeitpunkt abgewendet wurde, als der Zusammenbruch der „regelbasierten Ordnung“ des Westens in wichtigen Treffen mit Vertretern des Globalen Südens bestätigt wurde. Dies wurde auf dem G20-Gipfel in Indonesien deutlich, dem das jährliche ASEAN-Treffen vorausging und auf den der APEC-Gipfel in Thailand folgte, sowie in einem noch größeren Rahmen auf der COP27-Veranstaltung (s.u.).

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