Die Welt fordert ein Ende der unipolaren Ordnung

In einem bahnbrechenden Urteil vom 26.1. hat der Internationale Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen festgestellt, daß Südafrikas Antrag, die palästinensische Bevölkerung vor Völkermord zu schützen, „plausibel“ ist. Der Gerichtshof erließ sechs Anordnungen an Israel, um jegliche völkermörderische Handlungen im Gazastreifen zu verhindern und die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen und humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung zu ermöglichen (s.u.). Auch wenn die vorläufigen Forderungen nicht ausdrücklich einen Waffenstillstand vorsehen, kann Israel die Anordnungen des Gerichtshofs nicht befolgen und gleichzeitig seine Militäraktion fortsetzen.

Die algerische Regierung beantragte noch am selben Tag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates am 31.1., um den Entscheidungen des IGH, der über keinen eigenen Durchsetzungsmechanismus verfügt, „eine vollstreckbare Form zu geben“. Diese Beratungen werden wahrscheinlich einmal mehr die Heuchelei und die Doppelmoral des Westens, allen voran USA und Briten, offenbaren. Auf jeden Fall schuldet die Welt Südafrika großen Dank dafür, daß es den moralischen Mut hatte, den Fall vor den Weltgerichtshof zu bringen und so kompetent und mit der Unterstützung der meisten Länder der Welt vorzutragen.

Die Wurzel des Problems ist aber nicht Israel, sondern die berüchtigte anglo-amerikanische „regelbasierte Ordnung“, die mehr als einmal Völkermord begangen und gebilligt hat und deren fanatisches Werkzeug die Regierung Netanjahu ist. Diese sterbende Ordnung steht nun in den Augen der Welt unter Anklage und muß abgelöst werden.

Der Globale Süden erkennt diese neue Realität und fordert sein Recht auf Entwicklung und Souveränität ein. Die Entwicklungsländer wenden sich eigenen Institutionen und Mechanismen zu, wie den BRICS und der Gürtel- und Straßen-Initiative, die frei von neokolonialen Diktaten sind.

Und auch die Bevölkerung im transatlantischen Raum erkennt zunehmend diese Realität. Massenproteste gegen die etablierten Parteien und ihre Politik sind in fast allen europäischen Ländern an der Tagesordnung. Die Landwirte mobilisieren gegen den Green Deal und die endlosen Beschränkungen Brüssels, zusätzlich zu den ungerechten nationalen Maßnahmen (s.u.). In Frankreich brachte am 21.1. der Widerstand gegen ein von Präsident Macron vorangetriebenes neues Anti-Immigrationsgesetz 100.000 Demonstranten auf die Straße, während in Deutschland am selben Tag eine Rekordzahl von Menschen auf die Straße ging, von denen die meisten berechtigte Zukunftsängste zum Ausdruck brachten, auch wenn die Aktion anfangs von den Regierungsparteien manipuliert wurde (vgl. SAS 4/24).

In der heißen Phase des Wahlkampfs für die Europawahlen im Juni sind weitere Proteste und Revolten zu erwarten. Damit diese nicht von der Finanzoligarchie vereinnahmt werden und in blinde Wut oder Verzweiflung ausarten, ist es wichtig, ihnen eine positive Richtung zu geben. Die optimale Grundlage dafür, sowohl hier als auch im Globalen Süden, bieten die Zehn Prinzipien, für die sich das Schiller-Institut einsetzt (vgl. SAS 48/22, https://solidaritaet.com/neuesol/2022/48/hzl.htm).

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