Demonstrationen und Generalstreik in Israel gegen Netanjahus Irrsinn

Ein israelisches Gericht hat das vorzeitige Ende eines Generalstreiks angeordnet, zu dem der Gewerkschaftsbund Histradut am 2.9. aufgerufen hatte – doch da waren bereits Behörden, Schulen und Unternehmen im ganzen Land geschlossen und der Flugverkehr am Flughafen Ben Gurion für etwa acht Stunden unterbrochen. Der Histadrut-Vorsitzende Arnon Bar-David hatte den Streik ausgerufen, um Hunderttausende Demonstranten zu unterstützen, die sich am Abend zuvor an Dutzenden von Orten versammelt und Autobahnen und Kreuzungen blockiert hatten. Sie fordern von der Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu die Zustimmung zu einem Waffenstillstandsabkommen für die Freilassung der noch in Gaza festgehaltenen Geiseln. Die Zahl der Demonstranten wurde auf bis zu eine halbe Million geschätzt.

Bar-David will das Gerichtsurteil respektieren, das einen politischen Streik für unzulässig erklärt, betonte jedoch: „Der Solidaritätsstreik war ein wichtiger Schritt und ich stehe hinter ihm.“ Mit den Massendemonstrationen über politische Grenzen hinweg hätten Hunderttausende von Bürgern mit den Füßen abgestimmt. „Wir haben bewiesen, daß es im Hinblick auf das Schicksal der Geiseln kein rechts oder links gibt, sondern nur Leben oder Tod.“

Die Welle des Volkszorns war nicht mehr aufzuhalten, als die israelische Armee am 31.8. bekanntgab, daß sie die Leichen von sechs Geiseln in einem Tunnel in Rafah geborgen hatte – nach ihren Angaben von der Hamas ermordet. Aber schon zuvor hatten Demonstrationen das Land zwei Tage lang erschüttert, nachdem das Sicherheitskabinett am 29.8. getagt hatte. Es lehnte die Forderung von Verteidigungsminister Joaw Galant nach einem Waffenstillstandsabkommen mit 8:1 Stimmen ab, weil Netanjahu darauf bestand, daß die militärische Besetzung des Philadelphi-Korridors entlang der Grenze zwischen Ägypten und Gaza Vorrang vor der Rettung der Geiseln haben müsse. Galant argumentierte, mit der von ihm vorgeschlagenen diplomatischen Vereinbarung würden auch die Feindseligkeiten mit der Hisbollah abebben und die iranische Reaktion auf die israelische Tötung des Hamas-Führers Hanija in Teheran möglicherweise schwächer werden.

Viele Demonstranten sind nicht grundsätzlich gegen die „totale Vernichtung der Hamas“, was das erklärte Ziel der Regierung Netanjahu ist, aber sie fordern einen gewissen Kompromiß, um erst die Geiseln freizubekommen.

Um die wahren Motive der Extremisten um Netanjahu zu erkennen, bedenke man die Aussage des Oppositionsführers Jair Lapid am 29.8. vor einer inoffiziellen Untersuchungskommission: Demnach hatten die israelischen Sicherheitsdienste Netanjahu lange vor dem 7. Oktober 2023 umfassend darüber informiert, daß die Hamas einen Großangriff plante. Der Leiter des Schin Bet, Ronen Bar, bestätigte, daß die Regierung informiert war. Trotzdem wurde der Angriff nicht verhindert…

Unterdessen gehen das Sterben in Gaza und die Unterdrückung im Westjordanland weiter, während in den europäischen Hauptstädten, und erst recht in Washington, nur peinliches Schweigen herrscht.