Deindustrialisierung Deutschlands bedeutet eine Katastrophe für ganz Europa

Die Warnungen vor einer „Deindustrialisierung“ der größten Volkswirtschaft der EU mehren sich. Das Handelsblatt vom 24.10. () äußert am Beispiel der Feuerverzinkung die Befürchtung, daß die Schwierigkeiten eines einzelnen Zulieferzweiges ganze Industriezweige lahmlegen können. Eine aktuelle Umfrage „bringt die ganze Dramatik der Energiekrise auf den Punkt: Demnach laufen bei knapp einem Drittel der Unternehmen, die Stahl in Zinkbädern wetterfest machen, die Gasverträge bis zum Ende des Jahres aus. Bei 50% enden die Verträge im kommenden Jahr. 40% rechnen mit einer Verfünffachung der Gaspreise, 50% mit einer Verdreifachung oder Vervierfachung. Der Rest befürchtet sogar eine Verzehnfachung. Ähnlich sieht es bei den Stromverträgen aus.“

Das führende deutsche Online-Statistikportal Statista stellte am 19.10. fest: „In Deutschland wird derzeit die Gefahr einer sogenannten Deindustrialisierung diskutiert. In Teilen der deutschen Wirtschaft ist die Produktion wegen des rapiden Anstiegs der Gas- und Strompreise in Gefahr. Angesichts der bis Anfang nächsten Jahres erwarteten weiteren Preiserhöhungsrunde fürchten sowohl Betriebe als auch deren Branchenverbände, daß die Produktion in Deutschland dauerhaft unrentabel werden könnte.“

Dies ist nicht nur ein deutsches Dilemma. Unter den großen europäischen Staaten hat Deutschland mit 26,6% den höchsten Anteil des produktiven Sektors an der Wirtschaftsbilanz, gefolgt von Italien mit 22,6% und Frankreich mit 16,8%. Wegen der engen Verflechtung der Wirtschaftszweige machen die deutschen Ex- und Importe mit europäischen Ländern 27% der Gesamtsumme aus. Daher wäre ein starker Rückgang der deutschen Produktion auch für viele andere Industrieunternehmen eine Katastrophe.

Die illusorische „grüne Agenda“ der erneuerbaren Energien hat die deutsche Industrie schon lange vor dem Ukraine-Konflikt erheblich geschwächt. Seit dem Amtsantritt der „Ampelkoalition“ (SPD, Grüne, FDP) vor etwa einem Jahr beklagen die Wirtschaftsverbände das Fehlen sachkundiger Experten in dem vom Grünen Robert Habeck geführten Wirtschaftsministerium. Dort gibt es NGOs als Gesprächspartner, aber niemand, der die Erfordernisse einer Industrienation wie Deutschland versteht.

Das erklärt das chaotische Verhalten der Regierung, die auf der grünen Agenda beharrt, aber bei einigen Aspekten der Energieversorgung kleine Zugeständnisse macht: Weiterbetrieb einiger Kohlekraftwerke für mehrere Monate; Aufschieben der Abschaltung der drei verbliebenen Kernkraftwerke, die als „Notreserve“ bis April 2023 dienen; hektische LNG-Käufe auf dem Weltmarkt zu unverschämten Preisen, um günstiges Gas aus Rußland zu ersetzen. Unternehmen und Bevölkerung ärgert besonders, daß der Gaspreisdeckel erst im März in Kraft treten soll, nicht in den kritischen Wintermonaten Januar und Februar.

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