Daniel Ellsbergs über 50jähriger Kampf gegen den geheimen Sicherheitsstaat

In einem Interview mit Politico weniger als zwei Wochen vor seinem Tod am 16.6. bewies Daniel Ellsberg, daß weder die tödliche Krebserkrankung noch sein über fünf Jahrzehnte andauernder Kampf gegen ein korrumpiertes Militär- und Geheimdienst-Establishment sein Engagement für Frieden und Gerechtigkeit oder seine Leidenschaft für die Wahrheit trüben konnten.

In dem Interview wirft Ellsberg der US-Regierung vor, sie leite ein „verdecktes Imperium“ auf der Welt, das in der Kontrolle der USA über die NATO zum Ausdruck kommt. Washington habe mit der NATO-Osterweiterung Präsident Putin bewußt zum Einmarsch in die Ukraine provoziert. Er zitierte George Kennan, einen der geistigen Väter des Kalten Krieges, der 1998 die NATO-Erweiterung einen „tragischen Fehler“ nannte, der die Russen zu einer „ziemlich negativen Reaktion“ veranlassen würde.

Ellsberg trat am 13.6. 1971 an die Öffentlichkeit, als die ersten „Pentagon-Papiere“ in der New York Times erschienen. Es handelte sich um rund 7000 Seiten mit Berichten über den Vietnamkrieg, darunter sowohl historische Analysen als auch Regierungsdokumente, die eine 1967 von Verteidigungsminister Robert McNamara eingerichtete Arbeitsgruppe zusammengestellt hatte. Auffallend war die Diskrepanz zwischen den optimistischen öffentlichen Berichten der Kriegsbefürworter und den wahrheitsgemäßen Eingeständnissen in privaten Dokumenten, daß der Krieg nicht gewonnen werden konnte. Die Papiere enthielten auch Einzelheiten über den Verlust an Menschenleben und die Zerstörungen durch den Krieg und enthüllten verschiedene geheimgehaltene Operationen.

Nachdem er die Dokumente kopiert hatte, versuchte Ellsberg, mehrere Kongreßabgeordnete zu überzeugen, sie zu veröffentlichen, aber keiner wollte es tun; also wandte er sich an die Presse. Die Nixon-Regierung klagte sofort gegen die Veröffentlichung und startete eine massive Kampagne gegen Ellsberg – Henry Kissinger verleumdete ihn als „Kreml-Agenten“ -, und das Weiße Haus organisierte sogar einen Einbruch bei seinem Psychiater, um belastende Informationen zu finden. Doch trotz aller verzweifelter Bemühungen wurden die Pentagon-Papiere veröffentlicht.

Ellsberg sagte damals Walter Cronkite von CBS-News, die Dokumente zeigten, „daß unsere Beamten sich nie Gedanken über die Folgen unserer Handlungen für die Vietnamesen gemacht haben“. (Dasselbe gilt heute für die westlichen Kriegsfanatiker, die sich weigern, über ein Ende des Ukraine-Kriegs zu verhandeln, und weiter Waffen und Geld in den Kampf gegen Rußland pumpen, was zu immer mehr Opfern auf beiden Seiten führt, obwohl sie insgeheim zugeben, daß der Krieg nicht zu gewinnen ist.)

Ellsberg entging einer Haftstrafe, weil das Verfahren wegen „Fehlverhaltens der Staatsanwaltschaft“ eingestellt wurde. Er verurteilte später weiter die nationale Sicherheitspolitik aller Präsidenten, besonders George Bush jun. wegen der Lügen, die zum Irakkrieg führten, und Barack Obama wegen seiner Angriffe auf Whistleblower. Er lobte u.a. Julian Assange, Chelsea Manning, Edward Snowden und war Mitinitiator einer Stiftung für Pressefreiheit, die Lügen und Zensur des Sicherheitsstaates entgegenwirkt.

2017 schrieb er ein Buch (The Doomsday Machine), das vor der Gefahr eines Atomkriegs warnt. In den letzten Tagen seines Lebens äußerte er die Sorge, daß der NATO-Krieg in der Ukraine zu einem Atomkrieg führen könnte, der die Menschheit auslöscht.

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