Bauern in Europa erhalten einige Zugeständnisse, aber zu wenig

Belagert von 1399 Traktoren, die früh am 1.2. nach Brüssel rollten, kündigte die Europäische Kommission einige Zugeständnisse an. Die EU verzichtet auf die Vorgabe, daß Landwirte, die Beihilfen erhalten, 4% ihrer Anbaufläche brachliegen lassen müssen. Die Kommission schlägt auch Maßnahmen gegen unkontrollierte ukrainische Agrarimporte vor, u.a. Garantien für die Landwirte und andere „Schutzmaßnahmen“. Als das noch nicht ausreichte, um die Bauern zu beruhigen, kündigte Ursula von der Leyen am 6.2. an, daß die umstrittene Richtlinie Sustainable Use Regulation (SUR), mit der der Pestizideinsatz bis 2030 halbiert werden sollte, zurückgezogen wird.

Diese Zugeständnisse sind jedoch viel zu wenig, damit die Demonstranten ihre Aktionen beenden. Sprecher von Bauernverbänden aus mehreren Ländern machen deutlich, daß sie eine allgemeine Überarbeitung der EU-Agrarpolitik fordern und nicht aufgeben, bevor dieses Ziel erreicht ist. Die Proteste gehen also weiter und finden auch an neuen Orten statt. Seehäfen wie Zeebrügge in Belgien werden von Traktorenkolonnen blockiert, in Deutschland Häfen und Binnenhäfen sowie Lagerhäuser großer Supermärkte. Auch geographisch weiten sich die Proteste aus. Portugiesische Traktoren blockierten einen wichtigen Grenzübergang zu Spanien, spanische Bauernaktivisten wollen am 6.2. landesweit streiken, und am gleichen Tag machten sich 1500 italienische Traktoren auf den Weg nach Rom. In Frankreich haben die größten Bauerverbände die Proteste eingestellt, nachdem von der Regierung erhebliche finanzielle Zusagen gemacht, Handelsketten eingeschränkt und der Ecophyto-Plan für Pestizidreduktion ausgesetzt wurden; aber das kann sich schnell ändern.

Sehr wichtig ist, daß die Bauern überall auch zunehmend die Interessen anderer Branchen, insbesondere Handwerk und Mittelstand, ansprechen und die großen Kartelle in Brüssel ins Visier nehmen. Sie fordern ein Ende des Preisdiktats der Agrarkartelle. Man muß betonen, daß der „Green Deal“ der EU in Wirklichkeit eine Strategie zur Bereicherung der großen Kartelle und Latifundisten auf Kosten der Familienbetriebe und der Verbraucher ist.

Angesichts der Aussicht auf große Rückschläge für den Green Deal der EU bis zur Europawahl im Juni veröffentlichten 50 Großunternehmen, die der deutschen Stiftung KlimaWirtschaft angehören, am 27.1. einen offenen Brief, in dem sie die Bundesregierung auffordern, die Green-Deal-Agenda nicht aufzugeben, sondern unabhängig von der Dynamik der Bauernproteste auf Jahrzehnte festzuschreiben. Zu den Unterzeichnern gehören: Thyssen-Krupp, Salzgitter Stahl, Aurubis (Kupfer), Strabag (Straßenbau), Bilfinger (Bau), IKEA, Miele (Haushaltstechnik), E.on und enBW (Energieversorger), Frankfurter Flughafen, Hermes (Logistik), BNP Paribas, Union Investment und Triodos Bank.

Ähnlich warnte IWF-Direktorin Kristalina Georgieva die Regierungen und die EU-Kommission vor Zugeständnissen an die Bauern, die sie früher oder später „bereuen“ würden. Und das britische Royal Institute of International Affairs (Chatham House) riet den Regierungen, das Ferment durch einen Dialog mit den Landwirten zu vereinnahmen, ohne die Grundlagen des Green Deal aufzugeben. Die Lebensmittelkartelle und Bankeninteressen hinter dieser Politik haben guten Grund, den Verlust ihres Billionen-Projekts „Nachhaltigkeit“ zu fürchten.

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